Chalions Fluch
unangenehmen Zwischenfall schon bald, wie Schorf eine Wunde.
Teidez wurde ein neuer Privatschreiber zugewiesen, aus der königlichen Kanzlei vom älteren dy Jironal selbst ausgesucht. Es war ein schmalgesichtiger Bursche, ganz und gar ein Geschöpf des Kanzlers, und er machte keine Anstalten, sich mit Cazaril anzufreunden. In aller Öffentlichkeit widmete sich Dondo dy Jironal der Aufgabe, den jungen Prinzen von seinem Gram abzulenken, indem er die erlesensten Unterhaltungen für ihn bereitstellte. Cazaril konnte nur allzu genau beobachten, wie auserlesen diese Zerstreuungen waren, sah er doch spät in der Nacht leichte Mädchen und zweifelhafte Burschen in Teidez’ Räumlichkeiten ein- und ausgehen. Einmal stolperte Teidez in Cazarils Gemach, augenscheinlich außer Stande, die eine Tür von der anderen zu unterscheiden. Der Junge erbrach einen Quart Rotwein vor seine Füße, und Cazaril geleitete den betrunkenen und orientierungslosen Prinzen zu seinen Dienstboten zurück, die sich seiner annahmen.
Der bestürzendste Augenblick für Cazaril war allerdings der Abend, an dem er auf ein grünes Funkeln an der Hand des Hauptmanns von Teidez’ Wache aufmerksam wurde, des Mannes, der sie von Baocia hierhin begleitet hatte. Der vor ihrem Aufbruch, in aller Form und auf einem Knie, der Mutter und der Großmutter geschworen hatte, die beiden jungen Leute mit seinem Leben zu verteidigen … Cazarils Hand schoss im Vorübergehen vor, ergriff die des Hauptmanns und brachte den Offizier unvermittelt zum Stehen. Cazaril blickte auf den vertrauten, facettierten Edelstein.
»Ein schöner Ring«, sagte er nach einer Weile.
Der Hauptmann zog die Hand zurück und runzelte die Stirn. »Das dachte ich auch.«
»Ich hoffe, Ihr habt ihn nicht zu teuer erkauft. Ich vermute, der Stein hat einen Makel.«
»Es ist ein echter Smaragd, Herr.«
»An Eurer Stelle würde ich ihn zu einem Edelsteinschleifer bringen und überprüfen lassen. Es erstaunt mich immer wieder, was für Lügen die Leute heutzutage um ihres Vorteils willen erzählen.«
Der Hauptmann legte die Hände übereinander. »Es ist ein guter Ring.«
»Ich würde sagen, es ist Plunder im Vergleich zu dem, was Ihr dafür hergegeben habt.«
Der Hauptmann presste die Lippen aufeinander. Mit einem Achselzucken schob er Cazarils Worte beiseite und stolzierte davon.
Wenn das eine Belagerung ist, dachte Cazaril, verlieren wir sie gerade.
Als die Jahreszeit des Sohnes sich ihrem Ende näherte, wurde das Wetter kühl und regnerisch, und die Flüsse schwollen an. Eines feuchten Abends, wäh rend der musikalischen Unterhaltung nach dem A bendessen, beugte Orico sich zu seiner Schwester hinüber und raunte ihr zu: »Führe deine Leute morgen Mittag in den Thronsaal und sei bei dy Jironals Amtseinsetzung zugegen. Im Anschluss habe ich vor dem gesamten Hof einige erfreuliche Ankündigungen zu machen. Und leg deine festlichsten Gewänder an. Ach, und deine Perlen – erst letzte Nacht hat Lord Dondo angemerkt, dass er dich niemals mit seinen Perlen sieht.«
»Ich glaube nicht, dass sie mir stehen«, entgegnete Iselle. Sie warf einen Seitenblick auf dy Cazaril, der in der Nähe saß; dann schaute sie auf ihre Hände, die angespannt auf ihrem Schoß lagen.
»So ein Unsinn! Wie könnten Perlen einer Jungfrau nicht stehen?« Der König lehnte sich zurück und applaudierte dem munteren Stück, das soeben endete.
Iselle sagte nichts zu diesem Vorschlag, ehe Cazaril seine Damen nicht bis ins Vorzimmer geführt hatte, das ihm als Schreibstube diente. Schon setzte er an, ihnen eine gute Nacht zu wünschen und sich dann selbst gähnend ins Bett zurückzuziehen, da platzte sie doch noch heraus: »Ich werde die Perlen nicht tragen, die dieser Dieb Dondo mir geschenkt hat! Am liebsten würde ich sie dem Orden der Tochter zurückgeben, aber eine solche Gabe wäre gewiss eine Beleidigung für die Göttin. Diese Perlen sind befleckt! Cazaril, was soll ich damit anfangen?«
»Der Bastard ist kein wählerischer Gott. Spendet die Perlen dem Geistlichen seines Findelhauses, um sie zum Wohle der Waisen zu verkaufen.«
Ihre Mundwinkel hoben sich. »Wenn das keine Beleidigung für Lord Dondo wäre … Und er kann noch nicht einmal Einwände erheben! Eine gute Idee. Ihr werdet sie den Waisen bringen, mit meinen besten Wünschen. Und was den morgigen Tag angeht – ich werde meine Marlotte aus rotem Samt anlegen, über meiner weißen Seidenrobe, das sollte hinreichend festlich aussehen. Dazu trage
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