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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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fanden die Männer des Gerichtsvogts drei Personen, die den Schreiber des Prinzen in einer Taverne in der Schwemme gesehen haben wollten. Dort soll er dem Alkohol zugesprochen haben und schließlich alleine aufgebrochen sein. Einer der Männer schwor, dass dy Sanda bei seinem Aufbruch sturzbetrunken war. Mit diesem Zeugen hätte Cazaril gern einige Zeit allein verbracht, in einem der felsigen Kerker des Zangres in den uralten Gewölben, die sich bis hinunter zu den Flüssen erstreckten und aus denen kein Schrei mehr hinauf ans Tageslicht drang. Dort hätte er vielleicht einige brauchbarere Wahrheiten aus dem Kerl herausprügeln können. Cazaril hatte dy Sanda niemals betrunken erlebt, kein einziges Mal.
    Es fiel Cazaril zu, dy Sandas spärliche weltliche Hinterlassenschaften zu ordnen und zusammenzupacken. Ein Fuhrmann sollte diese Dinge dem älteren Bruder des Toten bringen, der irgendwo in den Herzogtümern Chalions lebte. Während die Männer des städtischen Gerichtsvogts in der Schwemme nach den angeblichen Wegelagerern suchten – was nach Cazarils Überzeugung ergebnislos bleiben würde – durchforschte er sämtliche Aufzeichnungen in dy Sandas Gemach. Doch welche verlogene Verabredung dy Sanda auch in die Unterstadt gelockt haben mochte – er hatte sie entweder als mündliche Botschaft erhalten oder mitgenommen.
    Da dy Sanda keine Verwandtschaft in der unmittelbaren Umgebung besaß, auf die man warten musste, fand die Beerdigung bereits am folgenden Tag statt. Sowohl der Prinz wie auch die Prinzessin mitsamt ihren Haushalten beehrten die Trauerfeier mit ihrer Anwesenheit. Daher waren auch ein paar Höflinge zugegen, die auf die Gunst der königlichen Geschwister hofften. Die Abschiedszeremonie fand am Schrein des Sohnes statt, vom Innenhof des Tempels aus. Es war eine kurze Andacht. Jetzt dämmerte Cazaril, was für ein einsamer Mann dy Sanda gewesen war. Keine Freunde drängten zum Kopf seiner Bahre und hielten lange Grabreden zum gegenseitigen Trost. Nur Cazaril sprach im Auftrag der Prinzessin einige förmliche Floskeln des Bedauerns. Am Morgen noch hatte er die Rede in aller Eile auf ein Blatt geschrieben und dieses dann an seinen Ärmel gesteckt, doch er schaffte es, die Rede vorzutragen, ohne peinliche Blicke auf seine Aufzeichnungen werfen zu müssen.
    Cazaril trat von der Bahre zurück und machte Platz für das Tierorakel. Er stellte sich vor den Altar, zur kleinen Schar der anderen Trauernden. Akolythen, gekleidet in den Farben ihrer jeweiligen Gottheit, brachten ihre Tiere herbei und stellten sich in regelmäßigem Abstand voneinander um die Bahre. In Tempeln auf dem Lande wurden die verschiedensten Tiere bei diesem Ritual geopfert. Einmal war Cazaril Zeuge geworden, wie ein einziger überforderter Akolyth es erfolgreich für die tote Tochter eines mittellosen Mannes durchgeführt hatte. Dabei war ein Korb mit fünf Katzen zum Einsatz gekommen, die mit unterschiedlich gefärbten Bändern gekennzeichnet waren. Die Roknari benutzten häufig Fische, allerdings vier Stück und nicht fünf: Die Geistlichen des vierfältigen Glaubens markierten sie mit Farbstoff und lasen den Willen der Götter aus dem Muster, das sich durch ihre Schwimmbewegungen in einem Bottich ergab. Aber auf welche Weise es auch vollzogen wurde: Dieses Orakel war das eine, kleine Wunder, das die Götter jedem Sterblichen auf seinem letzten Weg gewährten, egal wie unbedeutend er gewesen sein mochte.
    Der Tempel von Cardegoss konnte auf die allerschönsten heiligen Tiere zurückzugreifen, ausgewählt nach den passenden Farben und Geschlechtern. Die Akolythin der Tochter in ihren blauen Roben hatte einen hübschen, weiblichen blauen Eichelhäher, der im letzten Frühjahr frisch geschlüpft war und einen bemerkenswerten Federbusch trug. Die grün gekleidete Dienerin der Mutter hielt auf ihrem Arm einen großen, grünen Vogel, in dem Cazaril einen engen Verwandten von Umegats Stolz in der Menagerie vermutete. Der Akolyth des Sohnes trug rot-orangene Roben und führte einen herrlichen jungen Fuchsrüden heran, dessen goldbraun glänzender Pelz in den düsteren Schatten des widerhallenden Gewölbes feurig glühte. Der Akolyth des Vaters trug Grau, und ihm vorneweg ging ein stämmiger, älterer und ungemein würdevoller grauer Wolf. Cazaril hätte erwartet, dass die weiß gewandete Akolythin des Bastards eine von Fonsas heiligen Krähen brächte; stattdessen barg sie zwei dicke, aufmerksam blickende weiße Ratten in ihren Armen.
    Der

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