Champagner-Fonds
war davon überzeugt, dass mein Mann damals absichtlich von der Rampe gestoßen wurde.« Sie wiederholte das, was sie in der Kneipe erfahren hatten, nur ausführlicher, aber Namen nannte sie nicht. »Es gab keine Zeugen, angeblich war niemand in der Nähe. Man fand ihn mit schweren Kopfverletzungen, genau wie meinen Schwiegervater. Er ist aus dem Koma nicht mehr erwacht.«
»Wie hat die Polizei reagiert?«
»Es war ein Arbeitsunfall. Wir haben eine beträchtliche Summe bekommen, ich habe eine gute Rente. Aber das bringt mir meinen Mann nicht zurück und Jeannine nicht ihren Vater.«
»Jeannine – das ist ihre Tochter«, erklärte die Freundin und zeigte nach oben. »Sie schläft.«
»Und wie ist der Unfall mit Ihrem Schwiegervater passiert?« Thomas drängte seinen Vater, weiter danach zu fragen. »Was ist genau geschehen?«
»Das weiß auch niemand, es gab wieder keine Zeugen. Die Tür des Fahrstuhls stand offen, die automatische Verriegelung war defekt, draußen stand ein Hubwagen, mit dem man Paletten befördert – und der General lag drei Stockwerke tiefer im Schacht – er war tot.«
»Sie nannten ihn auch so?«
»Alle nannten ihn so.« Nach diesem Satz verlor sie die Fassung und brach in Tränen aus.
Erst an der Haustür erzählte sie von dem jungen Polizisten, der sich viel interessierter gezeigt habe als die alten Kollegen. »Er kommt gerade von der Polizeischule.« Sie ging noch einmal ins Wohnzimmer und kam mit einer Visitenkarte zurück. »Die hat er da gelassen, falls uns noch etwas einfiele.«
Pascal Bellier hieß er und arbeitete für die Kriminalpolizei in Reims. Thomas schrieb sich den Namen auf. »Das ist mein Job, Papa. Wir Jungen machen das unter uns aus.«
»Wenn dein Französisch dazu ausreicht, soll’s mir recht sein.«
Als sie schweigend im Wagen saßen und darüber nachdachten, wie es jetzt weiterzugehen hatte, ließ Philipp gedankenverloren den Motor an. Da bemerkten sie das andere Fahrzeug. Es fuhr mit Standlicht und extrem langsam, hielt zwanzig Meter vor dem Haus des Generals an – zwei Männer stiegen aus und gingen suchend an der Häuserzeile entlang.
»Das ist er«, flüsterte Thomas starr vor Schreck, »der vom Gartentor!«
»Bleib ruhig, mein Junge, dir passiert nichts.« Philipp griff schnell nach der Kamera im Handschuhfach und schaltete sie ein. Der Vorteil dieser digitalen Apparate lag in ihrem automatischen Belichtungsmesser und dem Autofokus. »Bleib ganz ruhig, mein Sohn. Es passiert dir nichts. Schalt einfach nur das Fernlicht auf mein Kommando ein.«
Thomas schluckte, als die Männer die Haustür des Generals erreichten. »Sie werden den Frauen doch nichts antun?«
»Jetzt!«
Die beißend hellen Halogenscheinwerfer rissen den Eingang und die Männer aus dem Halbdunkel, und sie starrten erschrocken her, für eine Sekunde wie vom Licht gelähmt, und genau in der Sekunde drückte Philipp auf den Auslöser. Die Aufnahme gelang, die Gesichter waren zu erkennen, und die Männer rannten zu ihrem Auto zurück. Mit jaulendem Motor und quietschenden Reifen schlingerte der Wagen rückwärts auf die Straße, wendete und verschwand.
»Jetzt wissen sie, dass wir hier sind.« Panik sprach aus Thomas’ Stimme, aber er riss sich zusammen.
»Wieso?«
»Wenn sie Profis sind, dann wissen sie, dass die Polizeinicht so auffällig arbeitet. Jetzt müssen die Frauen da raus, irgendwohin, wo sie sicher sind, denn das Pack kommt wieder.«
Die jaulenden Reifen hatten die beiden Frauen aufgeschreckt, aber die Schwiegertochter teilte Philipps Besorgnis nicht, erst ihre Freundin konnte sie dazu bewegen, zu ihr mitzukommen. Sie half ihr beim Packen, und Philipp brachte alle drei ins Nachbardorf, wo sie sicher waren.
Auf dem Rückweg nach Aÿ versuchte Thomas, Kontakt zu dem jungen Kriminalbeamten herzustellen. Es war seine Art, mit seiner Angst umzugehen, die ihn seit eben gepackt hatte. Philipps Argument, zu dieser Zeit niemanden mehr stören zu dürfen, ließ er nicht gelten. »Um die Zeit, das solltest du von mir wissen, geht unsereins erst auf die Piste. Eventuell hat er sogar Dienst.« Gegen Mitternacht erreichte er ihn, schilderte ihm kurz, worum es ging, worauf Pascal Bellier versprach, sie am nächsten Morgen aufzusuchen.
Sie waren die Letzten beim Frühstück. Die Rezeptionistin brachte ein Fax, Thomas griff neugierig danach. »Oh, Madame sendet beste Grüße – an uns beide, Papa«, sagte er, nachdem er den langen Text überflogen hatte. »Wenn das mit ihrer Post
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