Champagner-Fonds
Doch sein Gesicht sagte etwas anderes, offensichtlich unterdrückte er seinen Zorn. Philipp kannte ihn gut genug, um das zu bemerken. Bekam Langer das nötige Kapital nicht zusammen?
»Mit dem Thema sind wir einstweilen durch. Jetzt zu dem anderen. Was ist mit Ihrem Wein aus Bandol?«
Philipp erklärte, dass die Polizei den Lkw gefunden hatte, nicht eine Kiste Wein war mehr auf der Ladefläche gewesen, und der Fahrer sei verschwunden, spurlos. »Die Spedition befürchtet das Schlimmste. Oder der Kerl hat selbst die Ladung des Sattelschleppers verkauft und macht sich ein paar gute Tage. Bei den Werten, die er transportierte, würde es sich lohnen.«
»Ohne Organisation im Hintergrund ist das nicht möglich. Die guten Tage werden kurz sein. Aber es ist nicht der erste Lkw, der verschwindet.« Langer schob Philipp das Exposé über den Tisch. »Denken Sie noch einmal darüber nach. Und jetzt sollten wir über den Champagner-Fonds reden. Werden Sie wie üblich in Avize Quartier beziehen? Wie haben Sie sich die Recherche vorgestellt?«
Der Parkplatz vor Philipps Fenster leerte sich, die Kollegen machten Feierabend, Langer war als einer der Ersten gegangen. Aber Helenas Wagen stand noch dort. Philipp hörte das Klopfen an seiner Tür, er wusste, dass sie es war, er kannte ihren Schritt, er kannte ihr Parfüm, aber er kannte noch nicht die Hände, die ihn umfassten, und auch nicht den Kopf, der sich an seine Schulter legte.
»Ich habe für uns beide eingekauft, ganz gegen meine sonstige Gewohnheit«, sagte sie später etwas atemlos und lächelte. »Es ist mir lieber, wenn wir bei mir kochen – schon der Gerechtigkeit halber ...«
6
Wie um Langer auf drastische Weise seine Unabhängigkeit zu demonstrieren, fuhr Philipp nicht bereits am Sonntag in die Champagne, sondern kam am Montag noch einmal in die Firma – unter dem Vorwand, dringende Telefonate erledigen zu müssen, wozu er Unterlagen aus seinem Büro benötige. Entgegen seiner Erwartung war Langer aufgeräumt und guter Laune. Er deutete an, dass er auf bestem Wege sei, die Finanzierung zu bekommen, damit sei die Debatte über die Erweiterung jedoch nicht ausgestanden, und er ließ sich von Philipp das Exposé wiedergeben. Möglicherweise begriff Langer, dass er ein wenig zu weit gegangen war. Schließlich war Philipp sein verlässlichster Mann.
»Und wenn Sie zurückkommen, stelle ich Ihnen Mister Goodhouse vor. Ich habe von Ihnen erzählt, er möchte Sie unbedingt kennenlernen, dann reden wir weiter über Ihre Beteiligung.«
Langer wünschte ihm eine gute Reise und viel Erfolg. Philipp lag auf der Zunge, »wobei?« zu fragen, aber er verkniff es sich. Als Langer ihm noch zwei Visitenkarten exquisiter Restaurants mit auf den Weg gab, wobei Philipp diplomatisch verschwieg, dass Langer die Tipps ursprünglich von ihm bekommen hatte, fragte er sich ernsthaft, ob sein Chef die Dinge noch im richtigen Licht sah.
Diese Frage ließ ihn bis Koblenz nicht los, ein dummes Gefühl blieb. Die Autobahn durch die Eifel war wenig befahren,über Aachen und Lüttich wäre der Weg kürzer gewesen, aber er mochte die Ardennen nicht. Da lagen ihm zu viele Tote, Amerikaner, Franzosen sowie Deutsche.
Er dachte an Helenas Freundschaft mit der französischen Winzerfamilie und freute sich auf den Abend in Avize mit Yves und darauf, wie angenehm es sein würde, mit ihm und seiner Familie einen neuen, gelungenen Jahrgang zu feiern. Die Vorfreude wollte er sich nicht von den weißen Kreuzen auf grünem Rasen verderben lassen. Als Thomas kurzzeitig erwogen hatte, Wehrdienst abzuleisten, waren sie hierher gefahren und hatten die Gräberfelder abgelaufen. Thomas war still geworden, und danach war vom Bund keine Rede mehr. Sicher hatte es auch daran gelegen, dass sie an einem wolkenverhangenen Tag dort gewesen waren, es hatte dem Jungen zusätzlich auf die Stimmung geschlagen.
Heute indes konnte das Wetter nicht besser sein, der Frühlingstag war blau und schön, sogar recht warm für die Jahreszeit. Die Autobahn war frei, nur um Luxemburg herum wurde es eng. Erst in der hügeligen Landschaft hinter Metz und bei Tempo hundertzwanzig hatte Philipp die Muße, sich an Helena zu erinnern. An jenem Abend, nachdem sie sich im Büro nähergekommen waren, waren sie zu ihr gefahren und hatten sich in ihrer winzigen Küche nicht lange mit der Zubereitung ausgefeilter Gerichte aufgehalten. Dazu war ihr Durst zu groß, die Zeit der Dürre, der emotionalen Trockenheit war lang gewesen. Bei
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