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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Ortsdurchfahrten, an die kleinen grauen Häuser mit spitzen graublauen Dächern und weißen Fensterläden, alles nicht so steril wie in Deutschland, dafür wohnlich. Er wusste, wo am Ortsausgang die Polizei gerne mit Radargeräten wartete. Dahinter begannen die Weingärten, schnurgerade zogen sich die Rebzeilen ins flache Land, grüne Linien wie mit dem Lineal gezogen, am Horizont die Hügel, das Plateau. Namen von Orten tauchten auf, die ihn an Begegnungen und an bestimmte Champagner erinnerten. Sie waren ihm so vertraut wie die Landschaft. Er sah die Schilder an den Häusern, Champagne Bérèche & Fils, Champagne Pannier, Champagne Bollinger, ein ursprünglich deutscher Name, der französisch ausgesprochen weich und elegant klang und nicht wie ein über den Boden gerolltes Fass. Wenn er in eine Weinbauregion kam, fühlte Philipp sich, als würde er zu den Ursprüngen zurückkehren, dahin, wo alles begann, zum Wein, zur Erde, zum Himmel und raus aus dem Handel, dem Geschäft, dem Schachern und der Konkurrenz – hin zu wirklicher Arbeit, wo die Hände den Boden berührten, in ihn eindrangen und etwas hervorholten, das allem hier Leben und ihm ein gutes Auskommen gab.
    Mit allen, mit denen er hier zu tun gehabt hatte, verbanden sich angenehme Erinnerungen. Sicher, es war zu komplizierten Begegnungen gekommen, man tastete sich an den jeweiligen Gesprächspartner heran. Es gab den unangenehmen Moment, wenn man nach der Probe gestehen musste, dass einem der Champagner nicht gefiel, dass er weder über Duft noch Geschmack verfügte, während der Erzeuger ihn für einzigartig hielt. Die Enttäuschung im Gesicht des Winzers zu sehen schmerzte selbst. Bei anderen wiederum durfte man die Begeisterung für den Millésime oder die Prestige Cuvée nicht zeigen, damit sie nicht auf der Stelle die Liste mit den höheren Preisen hervorzauberten.
    Bei Oiry, noch vor dem Hügelland, bog Philipp links ab und folgte der schnurgeraden Landstraße durch Weizenfelder. Dann schälte sich rechter Hand langsam eine grüne Hügelkette aus dem Dunst, die Côte des Blancs. Ihre Flanken waren vollständig vom zarten jungen Grün austreibender Weinstöcke bedeckt. Reihe um Reihe, meist senkrecht von der Höhe ins Flachland verlaufend. Als wolle man seine andere Auffassung im Weinbau grafisch deutlich machen, verliefen die nächsten Rebzeilen quer, wieder Zeile um Zeile, Weinstöcke in geraden Linien, in geschwungenen Linien und in flachen Wellen den Gegebenheiten des Tals oder des Hügels folgend. Davor, ihr zu Füßen, als hätten die Menschen dem Wein die lichten Hänge und Höhen gern überlassen, duckten sich die Dörfer derer, die an den Hängen und in der Ebene arbeiteten. Die Kirche mit dem nadelspitzen Turm war noch immer die höchste Erhebung. Oben drüber, jenseits der weinbestockten Hänge, sozusagen als krönender Abschluss vor dem Himmel, zog sich ein Saum von Wald über den Bergrücken. Was Philipp überblicken konnte und ihm riesig erschien, war nur ein Bruchteil der 34.000   Hektar, auf denen Pinot noir, Pinot meunier und Chardonnay-Trauben wuchsen.
    Fünf Mal hatte er bisher die Champagne bereist, hatte sich Zeit zum Kennenlernen der Winzer und zum Probieren ihrer Weine genommen. Immer wieder hatte er, wie beim Typus des Winzers selbst, Varianten kennengelernt, Nuancen entdeckt, neue Duftnoten, eine andere Säure, mal spitz, mal flach, und die neuen Jahrgänge gekostet. Von zehn Champagnern, die vor ihm gestanden hatten, glich nicht einer dem anderen.
    Die Hauptstraße führte geradewegs nach Süden am Fuß der Hügel entlang, doch er bog rechts nach Avize ab und erreichte die ersten Häuser des alten Dorfes. Es lag einfach da, ruhig und gelassen, als kümmere das, was sonst in der Welt vorging, nicht einen seiner Bürger. Der würde weiterhindas tun, was er in den letzten hundert Jahren auch gemacht hatte: Champagner.
    Zwei Frauen standen mit Einkaufstaschen an einem Wagen und unterhielten sich, ein Junge kam mit dem Baguette unter dem Arm aus der Boulangerie und stieg aufs Fahrrad, ein Traktor bog um die Ecke, scherte sich nicht viel um die Vorfahrt und zwang Philipp zum Bremsen. Was hätte es genutzt, sich aufzuregen? In Avize und den anderen Orten mit Weinbau hatten die Bauern Vorfahrt, und das erinnerte ihn wieder an Helena und ihre Töchter. Sie, Helena, eine Bäuerin? Und wenn schon   ...
    Auf Anhieb fand er sein Quartier in der Seitenstraße. Er parkte neben dem eisernen Tor der Einfahrt, trug seinen Koffer durch den

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