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Champagner und Stilettos

Champagner und Stilettos

Titel: Champagner und Stilettos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Weisberger
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stehen und liegen lassen, und wenn’s meine alte, kranke Mutter wäre.« Pause. »Gott, das klingt jetzt aber herzlos, oder?«
    Brooke hätte sich am liebsten die Haare ausgerauft. Stattdessen zwang sie sich zu einem Lachen. »Da bist du sicher nicht die Einzige, aber das hast du doch gar nicht nötig. Du siehst wunderbar aus.«
    »Ach, wie süß von dir!«
    Brooke wartete ein paar Sekunden, dass Cynthia sich erinnerte, weshalb sie angerufen hatte. »Ah ja! Jedenfalls, mir ist natürlich klar, dass er wahnsinnig eingespannt sein muss, aber wenn Julian es irgendwie schaffen könnte, bei unserem Brunch aufzutauchen, wär das echt super.«
    »Auftauchen?«
    »Na ja, auftauchen oder auftreten, ganz wie er will. Vielleicht könnte er diesen Song singen, mit dem er so berühmt geworden ist? Der Brunch beginnt um elf im Vortragssaal mit einer verdeckten Auktion und ein paar leichten Appetithappen, dann begeben wir uns alle in den eigentlichen Versammlungsraum, wo Gladys und ich über die Arbeit referieren werden, die das Frauenkomitee von Beth Shalom in diesem Jahr geleistet hat, und ein paar Termine bekannt geben –«
    »Okay, alles klar. Du möchtest also, dass er bei euch auftritt. Du weißt aber schon, dass dieses Lied von seinem toten Bruder handelt? Glaubst du, äh, das wird deinen Damen gefallen?«
    Zum Glück war Cynthia nicht beleidigt. »Gefallen? Ach, Brooke, ich glaube, sie werden hingerissen sein.«
    Noch vor zwei Monaten hätte Brooke es nicht für möglich gehalten, dass sie jemals so ein Gespräch führen würde. Nun, nachdem schon die Direktorin von der Huntley, eine von Brookes früheren Mitschülerinnen, eine Exkollegin und nicht nur eine, sondern gleich zwei Cousinen auf Brooke zugekommen waren, alle mit der Bitte, Julian möge ihnen etwas singen oder signieren oder schicken, wunderte Brooke sich über gar nichts mehr. Obwohl diese Anfrage heute wahrscheinlich die merkwürdigste von allen war. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Julian eine Unplugged-Version von »For the Lost« vor einer Gruppe von fünfhundert jüdischen Müttern und Großmüttern zum Besten gab, präsentiert von einem stolzen Rabbi und einer beglückten Komiteepräsidentin. Brooke konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Frauen hinterher tuscheln würden: »Tja, er ist ja zwar kein Arzt, aber wenigstens kann er davon leben«, oder: »Er soll ja sogar ein Medizinstudium angefangen haben, schade, dass er nichts draus gemacht hat.« Dann würden sie sich um ihn scharen, seinen Ehering bemerken und alles über seine Frau wissen wollen. Ob sie auch ein nettes jüdisches Mädchen sei? Ob sie Kinder hätten? Nein? Aber warum denn nicht? Ob sie schon konkrete Pläne hätten, wann es mit der Familiengründung losgehen solle? Und überhaupt würde er mit Sicherheit viel besser zu einer ihrer Töchter oder Nichten passen. Obwohl sie in Philadelphia wohnten und Julian in Manhattan aufgewachsen war, würde mindestens ein Dutzend dieser Frauen sich eine verwandtschaftliche Verbindung zu seinen Eltern oder Großeltern zusammenbasteln. Julian würde wie durch die Mangel gedreht nach Hause kommen, und Brooke würde einiges an Aufbauarbeit leisten müssen, um ihn aus diesem Tief wieder herauszuholen. Falls es ihr überhaupt gelang.
    »Also gut, ich rede mit ihm. Er fühlt sich bestimmt sehr geehrt, dass ihr an ihn gedacht habt, und er würde bestimmt gerne kommen, aber ich fürchte, er ist die nächsten Wochen schon komplett ausgebucht.«
    »Na, wenn du wirklich glaubst, dass er gerne kommen würde, kann ich den anderen Vorstandsmitgliedern ja vorschlagen, den Termin zu verschieben. Vielleicht könnten wir –«
    »Ach nein, das wäre keine gute Idee«, warf Brooke wie der Blitz ein. Diese beharrliche Seite an Cynthia war ihr neu, und sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. »Momentan kann er überhaupt nichts Konkretes planen. Dauernd sagt er irgendwo zu und muss dann doch wieder absagen. Er findet es selber schrecklich, aber er ist einfach nicht mehr Herr über seine Zeit.«
    »Natürlich«, murmelte Cynthia. Brooke durfte gar nicht daran denken, wie ironisch es war, dass sie Cynthia mit derselben Ausrede abspeiste, die sie von Julian immer zu hören bekam.
    Im Hintergrund klingelte es an der Tür. Cynthia verabschiedete sich hastig, und Brooke sandte dem unbekannten Besucher ihrer Stiefmutter ein telepathisches Dankeschön. Sie las noch zwei Kapitel in ihrem Buch, einer Reportage über die Entführung von Etan Patz, die in ihr

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