Champagner und Stilettos
die Überzeugung weckte, jeder unheimliche Typ auf der Straße sei ein potentieller Kinderschänder, und folgte dem Rollo-Anbringer und Paparazzi-Abwehrer aus der Tür, als er fertig war.
Sie begann allmählich, sich ans Alleinsein zu gewöhnen. Nun, da Julian so viel unterwegs war, scherzte Brooke oft, käme es ihr ein bisschen vor wie in alten Singlezeiten, nur weniger gesellig. Sie schlängelte sich durch das Gedränge der Ninth Avenue, und als sie an der italienischen Bäckerei mit dem handgemalten Pasticceria -Schild und den selbstgenähten Gardinen vorbeikam, konnte sie es sich nicht verkneifen hineinzugehen. Es war ein bezaubernder Laden mit einer Café-Bar im europäischen Stil, wo die Leute am Morgen Cappuccino bestellten und den Rest des Tages Espresso im Stehen tranken.
Sie betrachtete die große Vitrine voller Köstlichkeiten und konnte förmlich spüren, wie ihr all die Butterkekse und gefüllten Croissants und Himbeer-Käsetörtchen auf der Zunge zergingen. Gar keine Frage, wenn sie sich nur eins aussuchen dürfte, würde sie natürlich so ein lecker fettiges Cannolo in seiner sündigen frittierten Hülle wählen. Erst würde sie die Sahne oben ablecken, und dann, nach einem belebenden Schluck Kaffee, würde sie herzhaft hineinbeißen und genüsslich –
»Dimmi!«, platzte die italienische Mamma in Brookes Schlemmerfantasien.
»Einen großen koffeinfreien Latte mit Magermilch, bitte, und eins von denen da«, sagte Brooke seufzend und zeigte auf die unglasierten, ungefüllten und unverzierten Cantuccini, die traurig auf einem Tablett neben der Kasse lagen. Sicher, das Mandelgebäck war frisch und knusprig, aber nur ein schwacher Ersatz für ein Cannolo. Doch nachdem sie in Texas satte vier Pfund zugelegt hatte, blieb ihr keine andere Wahl. Allein bei dem Gedanken hätte sie schreien können. An jeder anderen Frau wäre das bisschen Hüftgold kaum aufgefallen, aber bei einer Ernährungsberaterin, die zu allem Unglück auch noch mit einem Star verheiratet war, ging so etwas gar nicht. Nach dem Wochenende in Austin hatte sie sofort angefangen, ein Essenstagebuch zu führen, und sich eine 1300-Kalorien-Diät verordnet. Keins von beidem hatte bisher viel gefruchtet, aber sie war fest entschlossen durchzuhalten.
Brooke zahlte und wollte sich gerade mit ihrem Kaffee an die Theke stellen, als plötzlich jemand ihren Namen rief.
»Brooke! Hey, hier drüben.«
Als sie sich umdrehte, entdeckte sie Heather, eine Vertrauenslehrerin von der Huntley. Da ihre Büros auf demselben Flur lagen, konnte es nicht ausbleiben, dass sie sich hin und wieder über die Schülerinnen austauschten. In letzter Zeit allerdings hatten sie öfter miteinander zu tun, wegen Kaylie. Heather hatte ihr zwanghaftes Verhältnis zum Essen als Erste bemerkt und ihr vorgeschlagen, sich an Brooke zu wenden. Aber obwohl sie die gemeinsame Sorge um Kaylie verband, Freundinnen waren sie deswegen nicht geworden, und es war Brooke fast ein bisschen peinlich, ihrer Kollegin an einem Samstagmorgen im Café zu begegnen.
»Hi!«, sagte sie und setzte sich zu ihr. »Ich hatte dich gar nicht gesehen. Wie geht’s?«
Heather lächelte. »Bestens! Ich bin vielleicht froh, dass endlich Wochenende ist! Überleg mal, nur noch zwei Wochen Schule und dann geschlagene drei Monate Freiheit!«
»Ja, göttlich.« Brooke wollte keine Spielverderberin sein und verkniff sich den Satz, dass sie während der Ferien immer noch ganztags in der Klinik würde arbeiten müssen.
Aber Heather kam von selbst darauf zu sprechen. »Den Sommer über gebe ich natürlich noch jede Menge Nachhilfeunterricht, aber wenigstens kann ich meine Termine selbst bestimmen. Keine Ahnung, ob es daran liegt, dass der schreckliche Winter einfach nicht aufhören wollte, oder ob ich einfach ausgebrannt bin – ich kann’s auf alle Fälle echt nicht mehr erwarten.«
»Verstehe.« Brooke nickte. Dieser kleine Kaffeeklatsch schien anstrengend werden zu wollen, nachdem ihnen schon jetzt die Gesprächsthemen ausgingen.
Anscheinend spürte Heather genau, wie ihr zumute war. »Komisch, sich auf einmal so außerhalb der Schule zu treffen, nicht?«
»Ja, wirklich! Man muss dauernd Angst haben, dass man einem von den Mädchen über den Weg läuft. Weißt du noch, wie das früher war? Wenn man als Kind einen Lehrer beim Einkaufen getroffen hat, konnte man es immer kaum glauben, dass er auch ein Leben außerhalb des Klassenzimmers hatte.«
Heather lachte. »Stimmt genau. Aber zum Glück verkehren
Weitere Kostenlose Bücher