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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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muss man zur Informationsgewinnung immer mindestens zwei Fragen auf einmal stellen, denn wenn man den richtigen Moment erst mal verpasst hat, wird man es nicht einmal mehr schaffen, auch nur einWort zu sagen. Ich weiß noch, als meine Mutter einmal fünf Minuten am Stück geschwiegen hat, hat mein Vater keine Sekunde gezögert und umgehend mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen.
    »Ich rufe nur mal schnell an, weil ich dachte, du könntest … na ja, weißt du, dein Vater wollte doch den Spargel für heute Abend besorgen, aber dann war er bei Herrn Nicholson, das ist doch unser neuer Nachbar, der aus Amerika. Die haben doch tatsächlich eine amerikanische Flagge im Vorgarten. Also, ich finde das ja etwas zu pathetisch. Na ja, also dein Vater wollte wissen, ob dieser Herr Nicholson vielleicht mit Jack Nicholson, du weißt schon, dieser bemerkenswerte Schauspieler …«
    Meine Mutter, Marlene Schöneberg, geborene Maisberg, ist die beste Mutter der Welt. Die beste Mutter der Welt mit drei Eigenschaften, die selbst bei liebenden Töchtern nervöse Zuckungen in den Fingerspitzen auslösen können:
    Erstens ihr wachsamer Pessimismus (»Das geht nie gut, Kindchen!«).
    Zweitens ihre hellseherischen Fähigkeiten (»Das hätte ich dir gleich sagen können, dass das nicht gut geht, Kindchen!«).
    Und drittens ihr begnadetes Redetalent mit Endlosschleife.
    »Mum!«
    »… ja, also ich wollte es auch nicht glauben, aber die Frau Tschuschke sagt immer …«
    Hatte ich hier nicht noch irgendwo eine Tafel Lindt-Schokolade versteckt?
    »… und dann hat dein Vater doch tatsächlich mit Herrn Nicholson …«
    Nehme lieber noch ein Glas Martini. Wie viele Kalorien hat eigentlich ein Glas Martini?
    »… mich würde es nicht wundern, wenn dein Vater morgen einen Hund kauft und ihn Jack Nicholson nennt, nur um Frau Tschuschke …«
    Ach, du jemine. Wie sehen denn meine Fingernägel aus! Die brauchen dringend einen neuen Anstrich. Wo ist denn bloß der Nagellack?
    »… und deswegen dachte ich, du könntest heute Abend zu unserem Spargelessen eine halbe Stunde früher kommen?«
    Waaas? In Anbetracht dieser bevorstehenden Kalamität fällt mir die Flasche Nagellack aus der Hand über meinen hellblauen – den wollte ich noch umtauschen – Rock direkt auf den weißen Flokati. Das hatte ich ja total vergessen. Unser alljährliches Familienspargelessen! Diese Veranstaltung ist leider genauso schlimm, wie sie sich anhört.
    »Das Familienspargelessen! Kein Problem, Mum.«
    »Ach schön, Jillilein. Tanguy und Indira haben auch schon zugesagt.«
    Na bravo.
    »Das ist ja wunderbar.«
    »Ja, Jillilein. Und lackier dir die Fingernägel nicht wieder so dunkelrot. Das sieht so billig aus, und du weißt, dass die Nachbarn dann wieder Gott weiß was denken.«
    Es ist nicht zu fassen. Schade, dass mein schöner, dunkelroter Dior-Nagellack auf meinem Rock und nicht auf meinen Fingernägeln klebt.
    »Bis später, Mum … ja … ich freue mich … alles klar … okay … ähä … ich denk dran … bis spä… bis spä… bis später dann!«
    Ich sitze also in meinem Smart und bin auf dem Weg zu einem »Na-Jillilein-was-macht-die-Zukunft?«-Spargelessen bei meiner Familie am Starnberger See. In meinemRückspiegel verschwindet die Spitze des Olympiaturms, während ich vor meinem inneren Auge schon die Idylle der Alpen sehe. Habe noch keine Zeile für mein PR-Konzept geschrieben, aber die Unterlagen liegen auf dem Beifahrersitz. Scheint noch ein Relikt aus der Schulzeit zu sein, dass man sich besser fühlt, wenn man seine Arbeitsmaterialien einfach überallhin mitschleppt. Obwohl man dann natürlich doch nicht dazukommt, aber man könnte, wenn man wollte. Daneben sitzt eine meiner besten Freundinnen.
    Meine Krokotasche.
    Sie ist so wunderbar anhänglich und belastbar. Egal, wo ich mit ihr hingehe, sie sieht immer gut aus. Und sie nörgelt nie an meinen Macken herum. Zudem trägt sie unzählige Schätze in sich und verrät keine Geheimnisse. Jede Frau muss einfach mindestens EINE beste Freundin haben. Und ich bin eine Frau, die gern in Gesellschaft lebt.
    Zum Glück habe ich vorhin nicht bis zur Fahrunfähigkeit getrunken, sonst hätte ich womöglich noch Tanguy fragen müssen, ob er mich abholt. Ich kann nicht sagen, ob ich das Familienspargelessen mit meinem Bruder ohne bleibenden Schaden überstehe, da sollte man es nicht noch auf eine gemeinsame Anfahrt ankommen lassen. Zumal mein Bruder wie ein italienischer Macho fährt,

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