CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
und war von der Straße aus kaum zu erkennen. Rosenbüsche
und kleine Kugelakazien säumten den gepflegten Rasen und die gepflasterte Allee
der Auffahrt.
Als die Beamten
vorgingen und an der Tür klingelten, stand Joshua ein wenig abseits und
betrachtete die schweren, geschlossenen Fensterläden. Als Leos Vater sie
hereinließ und sie ihn nach seiner Frau fragten, verstrickte sich der Leutnant
in immer mehr in Widersprüche. Bis die Beamten auf einmal ein scharrendes
Poltern und einen leisen, kaum wahrnehmbaren Hilferuf hörten.
Sie gingen der der
Geräuschquelle nach und stießen so im oberen Stockwerk, am Ende des Ganges, auf
eine verschlossene Tür. Als sie die Schlafzimmertür gewaltsam aufbrachen, fanden
sie auf dem Fußboden eine abgemagerte und mit zahlreichen Wunden übersäte Frau
vor – Leos Mutter. Aufgrund des Flüssigkeitsmangels halb bewusstlos, konnte sie
den Beamten erst nach Stunden von ihrem Martyrium berichten.
Später auf der
Polizeiwache, wo auch Joshua als Zeuge anwesend war, schilderte sie unter
Tränen, wie sie vor ein paar Wochen, kurz nach Dienstschluss, einen
blutüberströmten Mann vor dem Eingang der Klinik hatte kauern sehen. Er war ein
45-jähriger Palästinenser, der bei dem Versuch, durch das Niemandsland zu
fliehen, angeschossen worden war. In dem sicheren Wissen, dass sie ihn im
Krankenhaus sofort der Polizei übergeben würden, bekam sie Mitleid und
entschloss sich zu handeln. Kurz entschlossen half sie dem schwer verletzten
Mann in ihren Wagen und versteckte ihn in dem Gewächshaus am Ende ihres Gartens.
An einem Ort, an den ihr jähzorniger, sie seit langem betrügender Ehemann sich
normalerweise niemals verirrte. Nachdem sie die Kugel aus seiner Schulter
entfernt hatte, ging sein Fieber langsam zurück. Mit Einbruch der Nacht schlich
sie sich unbeobachtet aus dem Haus, um ihn mit Lebensmitteln zu versorgen. In
der dritten Nacht jedoch, sie war gerade dabei den Verband zu erneuern, wurde
unerwartet die Tür aufgerissen; sie blickte in das hasserfüllte Gesicht ihres
Mannes – und in den Lauf eines geladenen Jagdgewehrs. Leo stand neben seinem
Vater und sah unbeteiligt zu, wie er dem Verletzten kaltblütig in die Stirn
schoss, mit den Worten: »So werden Kameltreiber bestraft, die aus einer ehrbaren
Jüdin eine palästinische Schlampe machen.««
Nachdem Leo und sein
Vater die Leiche im Garten verscharrt hatten, schleiften sie Leos Mutter
gemeinsam in das Schlafzimmer, wo sie sie eingesperrten. Seitdem war ihr Mann
jeden Abend gegen 20 Uhr gekommen, hatte ein Tablett mit einer wässrigen Suppe
auf den Tisch gestellt und auf sie eingeprügelt, bevor er sie wieder einsperrte.
Joshua beobachtete
seinen ehemaligen Freund, der mit emotionsloser Miene dem Bericht, den seine
Mutter zu Protokoll gab, zuhörte und dabei verächtlich auf dem Boden spuckte.
»Du bist nicht mehr meine Mutter«, flüsterte er hasserfüllt. »Keine ehrbare Frau
unseres heiligen Volkes gibt sich mit einem Nichtjuden ab.«
Entsetzt wich Joshua
zurück, als Leo ihn höhnisch anlachte. Er lachte auch noch, als ein Beamter ihn
in Handschellen aus dem Verhörraum führte. Jetzt wusste Joshua, warum der Freund
sich so verändert hatte. Der Hass des Vaters hatte sich auf seinen Sohn
übertragen und aus Leo war das geworden, was sein Vater gesät
hatte.
Traum
oder Wirklichkeit
D er durchdringende
Piepston hallte wie ein Echo in ihrem Kopf, der sich wie bleierne Watte
anfühlte. Dieses schreckliche Geräusch war so schrill, dass es allmählich in ihr
Bewusstsein vordrang. Benommen bemühte sich Hannah den Berg an Watte
wegzuschieben. Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber sie fielen ihr trotz
großer Anstrengung immer wieder zu und sie merkte, wie schwach sie war.
Abgehackt drangen die
Stimmen ihrer Eltern zu ihr durch. Sie schienen sich über irgendetwas Sorgen zu
machen. Erschöpft wartete Hannah, bis sich der Nebel in ihren Kopf langsam etwas
lichtete. Flatternd öffneten sich ihre Lieder und sie sah in ein helles Licht.
Unter großer Anstrengung drehte sie ihren Kopf und stellte fest, dass sie sich
in einem Krankenhauszimmer befand. Sie lag in einem sterilen, weiß bezogenen
Bett und trug ganz offensichtlich ein OP-Hemd. Eines jener blaustichigen grünen
Baumwollnachthemden, welche sie schon bei ihrer Mandeloperation als
grottenhässlich und kratzend empfunden hatte.
»Abba … Ima …« Sie
wollte ihre Eltern rufen, aber aus ihrer
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