Change
Nur noch Mikes harter, ungebrochener Wille hielt mich aufrecht. Man konnte fast sagen, ich vegetierte nur noch dahin, während Mikes Kopf das Denken für mich übernahm, da meiner zu sehr damit beschäftigt war, dem Koks hinterher zu trauern. Ich konnte an nichts anderes denken, war so ausgefüllt von dieser Leere in mir – ich aß nur noch, wenn Mike mich dazu zwang, duschte mich, wenn Mike mich in sein Bad schob und mir die Duschbrause in die Hand drückte. Ich kam auch erst wieder aus der Dusche raus, nachdem Mike, verunsichert durch das lange Wasserrauschen, nach mir sehen wollte und mich dabei an der Wand sitzend und das inzwischen kalt gewordene Wasser auf mich regnen lassend, vorgefunden hatte. Ich hatte nicht einmal gehört, was er gerufen hatte, doch als er komplett angezogen in die Dusche gesprungen war, in der ich mit Gänsehaut, blauen Lippen und völlig nackt gesessen hatte, störte ich mich nicht einmal daran, so egal war mir alles außer der Tatsache, dass ich nie mehr an Koks kommen würde. Mikes nasses T-Shirt hatte unangenehm an meiner empfindlichen und ausgekühlten Haut gerieben, als er mich, nachdem er das Wasser ausgestellt hatte, aus der Dusche gehoben hatte. Da meine Zähne begonnen hatten, zu klappern und ich Mike fast von den Armen gerutscht war, hatte er mich erst einmal in ein Handtuch gepackt, mir etwas Heißes zum Trinken gegeben und mich dann ins Bett gesteckt, um sich selbst, nachdem er sich ein anderes T-Shirt übergezogen hatte, dazu zu legen und mich trotz zwischen uns liegender Decke zu wärmen. Dennoch war er mir näher als jemals zuvor – doch da mir alles um mich herum egal war, klammerte ich das in diesem Moment völlig aus.
Erst am nächsten Morgen, als ich aus einem dieser schrecklichen Träume aufwachte, die mich seit meinem Entzug quälten, völlig verschwitzt und vor Angst zitternd, realisierte ich, dass ich nicht allein auf dem zum Bett umfunktionierten Sofa lag. Ein warmer Lufthauch streifte meinen Nacken, mein ganzer Körper war von Wärme umschlossen, die ich am Rücken und unterhalb der Arme am deutlichsten spürte.
Ich brauchte wenige Augenblicke, um zu realisieren, dass Mike sich an mich gekuschelt hatte und jetzt in Löffelchenstellung hinter mir lag, mit den Armen mich festhaltend. Sein ruhiger Atem streichelte meine empfindliche Haut, verursachte eine Gänsehaut erst nur an jenem Ort, doch bald an meinem ganzen Körper. Die Decke lag über uns beide gebreitet, nur noch Mikes T-Shirt und seine raue Jeans trennten meine bloße Haut von seiner. Die mich einlullende Wärme bewirkte schließlich, dass das Zittern in meinen geschwächten Muskeln nachließ, auch meine viel zu schnelle Atemfrequenz verlangsamte sich.
Es fühlte sich so ungewohnt an, aber auch sehr angenehm – gar nicht angsterzeugend, wie ich es mir vorgestellt hatte – ich schaffte es, Mikes Nähe zu dulden, genoss sie richtiggehend. Bedeutete dies einen Wendepunkt in meinem Leben? Ich hoffte es – doch da ich befürchtete, dass die Situation sich ändern würde, wenn ich noch länger darüber nachdachte oder vielleicht sogar Mike aufweckte, schloss ich wieder die Augen und konzentrierte mich auf die Wärme, die meinen Rücken überflutete und mich zum ersten Mal wieder lebendig fühlen ließ – die Welt war nicht mehr schwarz und nicht existent, sie bestand wieder aus etwas, an dem ich mich festhalten konnte – Mikes Wärme.
Dieser Moment der Ruhe – er währte nicht lange. Da ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte und die Tage ineinander verschwammen, konnte ich nicht mehr nachvollziehen, wie lange ich nun schon ohne Stoff war. Mein Unterbewusstsein spielte immer häufiger verrückt, dann bildete ich mir ein, es seien nur Stunden vergangen.
Und in einem Augenblick tiefster Verzweiflung sah ich erneut nicht mehr, was ich eigentlich wollte – wonach strebte ich, dass ich mir diesen Horror antat? Ich brauchte den Stoff, er war alles, was ich wollte. Die ganze Welt drehte sich nur um das Koks, alles andere war nichtig.
Doch als hätte er es geahnt, hatte Mike seine Wohnung abgeschlossen, sodass ich, als ich mich mit wackeligen Schritten hinausstehlen wollte, erst einmal gegen die Tür stieß. Von dem Krach aufgeschreckt kam sogleich auch die Person um die Ecke, die mich schon letztens davon abgehalten hatte, wegzugehen und mir Stoff zu besorgen. Auch diesmal erklang Mikes Stimme, müde und resigniert rief er mich bei meinem Spitznamen, den er mir gegeben hatte.
„Aiden!“
Mein
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