Change
mein erneutes Zischen, ruckartig versuchte ich mich loszureißen, doch der Griff lockerte sich nicht.
„Du gehst nirgends hin, Aiden. Du bleibst hier.“, flüsterte die warme Stimme mir ins Ohr, konnte mich jedoch nicht beruhigen – im Gegenteil. Plötzlich hatte sich mir ein Gegner mir in den Weg gestellt, verhinderte, dass ich zu meinem Koks konnte, zu dem, was ich brauchte. Diesen Gegner musste ich bezwingen – je schneller, desto besser. Ich musste mich befreien, sonst…
„Lass los, ich muss gehen. Muss!“, radebrechte ich, während ich mich wie wild gegen die festhaltenden Arme warf, ohne Erfolg. Mike atmete scharf ein, schüttelte mich mit beiden Händen meinen Arm umfassend, um mein unkontrollierbares Handeln zu stoppen.
„Nein, du bleibst hier. Jetzt lasse ich dich nicht weg. Du wirst dir keine Drogen besorgen, sonst wäre alles hier sinnlos.“, herrschte Mike mich an, die Stimme erhoben und gegen meinen wild um sich schlagenden Körper kämpfend. Wütend heulte ich auf, intensivierte meine Bemühungen. Ich bemerkte, wie Mikes eine Hand sich löste – doch nur um meinen anderen Arm damit zu ergreifen und schraubstockartig festzuhalten.
Ich kam nicht los, er war zu stark für mich. Wie sollte ich ihm entkommen können?
Sinnlos, sinnlos – das Wort beherrschte meine Gedanken, wirbelte in meinem Kopf hin und her. Das hier war auch sinnlos, erkannte ich. Mit letzter Kraft warf ich mich gegen die menschlichen Fesseln, schluchzte dann laut auf und schrie, die in meinem Kopf explodierenden Schmerzen nicht beachtend.
„Sinnlos – mein Leben ist sinnlos. Lass mich gehen oder töte mich! Ich will nicht mehr!“
Mit einem letzten spitzen Schrei sank ich zusammen, gab den aussichtslosen Kampf auf, hatte ich doch meine letzten Kräfte verbraucht. Schwer lehnte ich mich an Mikes warmen Körper, der mich noch immer festhielt und fast genauso schwer atmete wie ich. Jedes Atemholen hallte in meinen Ohren nach, japsend stieß er leise, kaum vernehmbare Worte aus, die ich mehr spürte als hörte. Unangenehm intensiv drangen sie in meinen Schädel und verstärkten die hämmernden Kopfschmerzen.
„Beruhige dich, bitte. Ich verspreche dir, ich werde dich nicht noch mal von Drogen zerstören lassen.“, flüsterte er ernst, bitter und mit stählerner Festigkeit in der Stimme.
„Nicht noch einmal will ich dich an dieses Scheiß-Koks verlieren.“, fügte er ein wenig lauter und eindringlicher an. Allein das Wort aus Mikes Mund reichte aus, um mich nach Luft schnappen zu lassen. Mein Körper bäumte sich auf, doch ich hatte keine Kraft mehr, um wieder zu kämpfen. Ich hatte keine Kraft mehr, mich zu befreien, ich fühlte mich so schwach – und auch wenn der Stoff mich lockte, so war doch dieses Gefühl, zu fallen, weg. Einzig die Müdigkeit und die Verzweiflung saßen in meinen Knochen, ließen mich leise weinen. Wie erstarrt stand ich da, Mike stützte mich, ohne weitere Worte rührte er sich ebenso wenig vom Fleck, schien abzuwarten, was ich nun machen würde. Doch alles, was ich tat war verzweifelt der Vergangenheit hinterher zu trauern und mit Grauen daran zu denken, was für schreckliche Aussichten ich in der Zukunft hatte. Ohne Koks …
Mike schob sich schließlich meinen Arm über die Schulter, hob mich hoch und schleifte mich mehr als dass er mich trug, zum Sofa. Mir war jetzt alles gleichgültig, sodass ich ihn machen ließ, mich nicht wehrte, als er mich hinlegte und zudeckte, sich dann noch mal neben mich auf den schmalen Sofarand setzte. Sein Blick lag auf mir, sah mir genau in die tränenblinden Augen.
„Ach, Baby.“, flüsterte er verzweifelt, strich mir langsam und zärtlich die Tränen vom Gesicht. Seine Finger berührten meine Haut nur ganz leicht, und alles in meinem Körper war so taub, dass ich es fast nicht spüren konnte. Unablässig strömten mir Tränen aus den Augen, bis ich schließlich versank – in einen traumlosen Schlaf. Ich war dankbar dafür.
Ich wusste nicht, wie ich die darauf folgenden Tage überlebte. Es war wohl Mike zu verdanken, der immer da war, immer sofort zur Stelle, mir stets half und mich wachsam beobachtete, damit ich nicht plötzlich verschwinden konnte. Doch trotz dass ich von dem schwarzhaarigen, endlos geduldigen Mann gepflegt, getröstet und abgelenkt wurde, fühlte ich mich furchtbar.
Mein einst so starker Wille war gebrochen. Vergessen war, dass ich selber aufhören wollte, dass ich selber einen Ausweg aus meinem sinnlosen Leben gesucht hatte.
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