Change
entfernten Gruppen von Menschen meine Peiniger erkannte, nur um dann festzustellen, dass ich mich zum Glück irrte, begleitete mich häufig auf meinem Heimweg. Dies zeigte mir, dass ich bei weitem noch nicht alle Folgen der schrecklichsten Zeit meines Lebens überwunden hatte.
Mike erzählte ich nichts davon, dass ich ungern im Dunklen nach Hause ging – ich wollte nicht, dass er sich unnötig Sorgen machte. Zu meinem Glück passte er mich oft nach Schichtende ab und lud mich dann noch auf einen Burger ein, zeigte mir irgendetwas in der Stadt oder lief einfach mit mir zusammen in seine oder meine Wohnung. Ich liebte es, mit ihm zusammen zu sein – liebte seine Gegenwart, fühlte mich wohl, wenn er in meiner Nähe war. Alle Sorgen und Ängste konnte ich dann vergessen – Mike tat mir so unglaublich gut. Ich liebte ihn mehr als alles andere in meinem Leben – so unglaublich das auch klang.
Heute jedoch hatte Mike mir eine SMS geschrieben, dass er keine Zeit hatte, weil er mit ein paar Kommilitonen ausgehen wollte – er hatte mich gefragt, ob ich mit wollte – doch ich hatte abgelehnt. Fremden gegenüber war ich noch immer noch sehr misstrauisch. Ich mochte es nicht, wenn ich mit Leuten, die ich vorher noch nie gesehen hatte, einige Zeit verbringen musste – das stellte ich mir grausig vor. Mike machte ich keine Vorwürfe, weil er seine Zeit nicht nur mit mir verbrachte – doch dadurch musste ich nun wieder einmal eine dreiviertel Stunde Fußweg zurücklegen bevor ich in Sicherheit meiner Wohnung war.
Es war verdammt kalt, das spürte ich bei jedem Schritt mehr. Der Wind verstärkte dieses Gefühl, sodass mir, trotz dass ich zügig lief, nicht wärmer wurde. Bald schon fing mein Körper an zu zittern und meine Zähne klapperten. Ich bis sie fest zusammen, damit sie nicht unaufhörlich aufeinander schlugen. Dessen ungeachtet wurde mir noch kälter. Verwirrt blieb ich schließlich stehen, denn so kalt konnte es im Oktober nun wahrlich nicht sein. Mein Atem hinterließ eine weiße Dampfwolke in der klirrkalten Luft, innerhalb weniger Minuten musste die Temperatur unter null Grad Celsius gefallen sein. Und das war unmöglich, einen solchen Temperatursturz konnte es jetzt noch nicht geben. Mir wurde das Ganze unheimlich. Mein Körper zitterte unaufhaltsam weiter, die dünne Jacke hielt nichts ab. So abgelenkt von der mich lähmenden Kälte war ich, dass ich die Anwesenheit der anderen Person erst bemerkte, als deren Stimme die Stille einer unbelebten Nacht durchschnitt. Scharf tönend, von einer beißenden Kälte erfüllt. Ich wäre vermutlich zusammengezuckt, wenn ich nicht schon längst wie Espenlaub gezittert hätte.
„So unsicher ist das Schicksal, es steht fortwährend auf Messers Schneide. Jederzeit kann es in eine Richtung kippen – zum guten oder zum schlechten.“, gab der große Schatten von sich, die Stimme enthüllte ihn als Mann. Mein Herz klopfte heftig gegen meine Brust, als ich diese, für mich im ersten Moment unverständlichen Worte hörte.
„Was willst du? Lass mich in Ruhe!“, stieß ich aus, wollte davon sprinten, doch meine Beine waren urplötzlich wie festgefroren. Hypnotisiert beobachtete ich den Mann dabei, wie er aus dem Schatten einer Seitengasse ins Licht einer funzeligen Straßenlampe trat und seine Erscheinung der Dunkelheit entrissen wurde. Mein Atem stockte, als sich in mir ein Gefühl des Schreckens und des Wiedererkennens breit machte. Ich hatte diesen dunkelhaarigen Mann schon einmal gesehen und er rief in mir eine unglaubliche Furcht hervor. Seine bloße Anwesenheit, seine Aura ließ mich mehr Angst empfinden als ich es getan hätte, wenn ich meinem Feind Evan gegenüber gestanden hätte. Plötzlich fühlte ich mich so klein und schwach wie schon lange nicht mehr. Alles in mir schrie, dass ich fliehen sollte, doch ich konnte nicht.
„Was würdest du bloß tun, wenn dein Schicksal sich zum Schlechten wenden würde? Was, wenn dein neu gewonnenes Selbstvertrauen enttäuscht werden würde? Was, wenn deine Hoffnung auf eine Veränderung in deinem Leben sterben würde? Was würdest du dann tun? Würdest du dein Leben selbst beenden?“, sprach der Mann weiter, kam näher zu mir. Jetzt erkannte ich auch mehr Details seines Gesichtes, doch es war so nichts aussagend, dass mir dies nicht viel weiter half. Seine Worte jedoch schlugen einen Bogen zu einem meiner Alpträume in der Vergangenheit. Ich hatte diese Nachtmahre nie wirklich verdrängen können, auch wenn ein Großteil
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