Chaos über Diamantia
Sicherheit geboten war. Diamantia IV war vor zehn Jahren in diese Kategorie eingestuft worden …
Bray wunderte sich, daß Marriott, ein beargwöhnter Mann, eine solche Station befehligte.
Die beiden uniformierten Wachen am Eingang salutierten nachlässig, als Bray das Gebäude betrat. Nachdem er einen grell ausgeleuchteten Korridor entlanggegangen war, fand er Marriott in seinem Büro im rückwärtigen Teil des Gebäudes. Der kommandierende Offizier der in Capodichino stationierten Einheit war ein großer, ziemlich gut aussehender Mann mit dunklem Haar, der Bray mit knappem Lächeln und Handschlag begrüßte. »Ich werde das Abendessen hier servieren lassen, Leutnant, wo wir ungestört sprechen können. Aber wie wäre es zuvor mit einer Kostprobe vom guten diamantischen Wein?«
Bray dankte und setzte sich. Sie tranken Wein. Sie aßen. Sie tranken mehr Wein. So verging der frühe Abend.
Bray, der einen Magen wie aus Gußeisen hatte und eine Menge vertragen konnte, simulierte nichtsdestoweniger zunehmende Trunkenheit.
Bray wußte nicht, was er von dem älteren Mann halten sollte. Marriott hatte eine lange Vergangenheit auf Diamantia, jedenfalls für einen Fremden. Nach den Unterlagen des Geheimdienstes war er mit sechsundzwanzig Jahren auf den Planeten gekommen. Vier Jahre nach seiner Ankunft hatte die Rebellion der Irsk begonnen, und jetzt war es zehn Jahre her, daß die Rebellion ihre gegenwärtige bürgerkriegsähnliche Form angenommen hatte.
Danach war James Marriott vierzig Jahre alt.
Er sah älter aus. Sein Gesicht trug die Spuren eines ausschweifenden Lebens. Seit dem Tag seiner Ankunft war er als Schürzenjäger und Weiberheld hervorgetreten, und mittlerweile genoß er einen fast legendären Ruf auf diesem Gebiet.
Nachdem er die ersten Jahre als Dozent an verschiedenen Universitäten gelehrt hatte, war er überraschenderweise als Freiwilliger in die Streitkräfte der Erdföderation eingetreten. Überraschend war dieser Schritt hauptsächlich in Anbetracht seiner freibeuterischen Lebensweise gewesen. Aber das Oberkommando war hocherfreut gewesen, einen vielseitig gebildeten Mann zu gewinnen, der überdies ein intimer Kenner der diamantischen Verhältnisse war. Capodichino schien der falsche Ort für einen solchen Mann zu sein, eine Sackgasse ohne rechte Entwicklungsmöglichkeit. Falsch war auch der zielstrebige Ernst, mit dem er Bray jetzt unter Alkohol zu setzen versuchte.
Was bezweckte er damit? Die Frage beschäftigte Bray mehr und mehr, aber er fand keine Antwort.
Es war längst dunkel, als Marriott auf einmal sagte: »Ich glaube, wir sollten nicht länger warten. Man rechnet mit unserem Besuch, und Diamantier legen großen Wert auf Höflichkeit.«
Bray kam auf die Füße und wankte durch den Raum zum Kleiderständer, um seinen Uniformrock anzuziehen. Aus den Augenwinkeln sah er, daß Marriott ihn mit unverhohlener Geringschätzung beobachtete. Nachdem er seinen Rock übergezogen hatte und zur Tür steuerte, taumelte Bray absichtlich so, daß er fast gefallen wäre; aber als Marriott ihm durch die Tür half, stieß er die stützende Hand fort und erklärte mit dem Selbstvertrauen des Betrunkenen: »Ich kann schon allein.«
Die zwei Männer traten ins Freie, und Bray sah, daß sie hinter dem Gebäude auf einem Hof waren. Ein hoher Sicherungszaun umgab die freie Fläche, auf der eine Anzahl Wagen stand, darunter mehrere Panzerfahrzeuge. Ein Posten hielt Wache. Marriott half Bray in einen Wagen, dann beugte er sich zu ihm herein und sagte: »Ich habe noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Machen Sie es sich bequem. Es wird nur eine Minute dauern.« Er schloß die Tür und ging.
Er blieb länger als zehn Minuten aus. Während dieser Zeit stellte Bray fest, daß die Wagentüren verschlossen und von innen nicht zu öffnen waren. Die Entdeckung beschäftigte ihn einige Minuten lang. Er fragte sich, ob er die Schlösser nötigenfalls mit Pistolenkugeln aufsprengen könne, aber Marriotts Rückkehr beendete diese Spekulationen. Der Hauptmann stieg ein und startete den Motor.
Unterwegs zum Landhaus der Ferraris brabbelte und sang Bray ein wenig vor sich hin, murmelte zusammenhanglose Bemerkungen und schlief endlich schnarchend ein. Am Ziel angelangt, ließ er sich torkelnd ins Haus führen und warf sich auf eine Couch im großen Wohnraum des Landhauses. Weil er seine Augen die meiste Zeit geschlossen hielt, als ob er Mühe hätte, wach zu bleiben, konnte er die Zahl der Anwesenden nicht genau ausmachen,
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