Chaplins Katze, Clintons Kater
Mönche des 15. Jahrhunderts, Szenen aus Shakespeare-Dramen und so weiter), was Hoffmann und sein Kater noch für Allgemeinwissen hielten.
Wie sein Herr wird Kater Murr mit der Zeit zum bitteren Kritiker der scheinheiligen Spießbürger – das Buch ist im Wesentlichen eine Gesellschaftssatire, die als Zielscheibe ihres Spotts unter anderem die »Aufklärung« und die »moderne Erziehung« ausgewählt hat.
Der Inhalt? Unmöglich zusammenzufassen. Alle paar Seiten tauchen neue Geschichten und Nebenerzählungen auf: Murr verliebt sich, wird beinahe von einer Kutsche totgefahren, von Jungen gequält, einem neuen Herrn und Gönner übergeben, lernt einen Pudel kennen und erlebt einige Abenteuer mit ihm, beschließt, sich mit einer anderen Katze anzufreunden, und bei jeder sich bietenden Gelegenheit lernt er Neues über das Leben und sinniert darüber.
Der kleine Kater Murr, wie er uns gleich zu Anfang seiner Autobiografie mitteilt, kannte seine »teure Mama« oder seine Geschwister kaum. Hungrig und verloren wird er von einem geheimnisvollen Etwas (einer Menschenhand) aufgehoben und findet sich in »einem sehr engen Behältnis mit weichen Wänden eingeschlossen« (in einer Manteltasche). Aber dann bekommt er etwas Wunderbares: sein erstes Schüsselchen Milch.
Sein Retter ist kein anderer als Meister Abraham, ein Zauberer und Erforscher des Okkulten, der auch in der parallelen Kreisler-Geschichte erscheint. Der junge Murr ist dankbar, dass sein Gönner »… bei meiner Erziehung sich weder an den vergessenen Basedow hielt, noch die Pestalozzische Methode befolgte, sondern mir unbeschränkte Freiheit ließ, mich selbst zu erziehen, insofern ich mich nur in gewisse Normprinzipien fügte…«
Er entwickelt schon bald »die wunderbare Gabe, durch das einzige Wörtlein ›Miau‹ Freude, Schmerz, Wonne und Entzücken, Angst und Verzweiflung, kurz, alle Empfindungen und Leidenschaften in ihren mannigfaltigsten Abstufungen auszudrücken. Was ist die Sprache der Menschen gegen dieses einfachste aller einfachen Mittel, sich verständlich zu machen?«
Dann wird die Geschichte des Katers Murr abrupt
unterbrochen und wir befinden uns plötzlich mitten in einem Gespräch zwischen einem Fürsten und – ja, demselben Meister Abraham, und hier lernen wir Johannes Kreisler kennen, einen Musiker und Kapellmeister, dem nicht entgangen ist, dass Meister Abraham in den Hexenkünsten bewandert ist.
Natürlich müssen die Fußnoten zu jenen ersten Seiten der modernen Leserschaft einiges erläutern und unter anderem Verweise auf Lawrence Sterne, Rabelais und Atlanta, die Jägerin aus der griechischen Mythologie erklären.
Währenddessen schimpft Meister Abraham mit Kreisler, er habe einen »verwüstenden Brand« in seiner Brust, der zu
»einer reinen Naphthaflamme werden« muss, »genährt von dem tiefsten Sinn für die Kunst, für alles Herrliche und Schöne, der in dir wohnt«.
In den ersten Zeilen fühlt sich Murr wie der junge Goethe, der schließlich auch ein Genie war. Genau wie Egmont ergeht er sich über die Schönheit der Natur, die herrliche Frische der Nacht, des Vollmondes und der Wolken und einer Taube –
ganz besonders, wenn man ein junger Kater ist, der über die Dächer klettert –, bis jemand ihm einen Topf eiskaltes Wasser überschüttet.
Er begeht den Fehler, sich bei einer Hundegesellschaft in eine törichte Debütantin, das anmutige Windspielfräulein Minona, zu verlieben. Diese Gesellschaft nimmt Hoffmann wiederum zum Anlass, die Frauen und das Verhalten der Spießbürger aufs Korn zu nehmen. Nachdem Minona Murrs Herz erobert hat, indem sie ihm allerlei Schmeicheleien über seine Gedichte zulispelt, verlässt ihn die Schöne einfach mir nichts, dir nichts,
»um mit einem schnöden Zierbengel von Mops gänzlich fades Zeug zu schwatzen«. Mit einem Mops!
Wir erfahren auch von den Abenteuern des Pudels Ponto, der Murr aus einigen heiklen Situationen rettet. Sie beschließen Freunde zu werden, »wie Damon und Pylades«, wie es Ponto nicht ganz zutreffend formuliert. Als ihn Murr wortreich korrigiert, wird der Pudel ein wenig ärgerlich und bedeutet Murr, dass all sein Bücherwissen ihm im wirklichen Leben nur wenig nutzt. Weiß Murr etwa, wie man Menschen schmeicheln muss, damit sie einem schöne Salamistücke zuwerfen? Weiß er, wie man anmutig um sie herumtänzelt?
Aber leider, leider führt Pontos Hilfsbereitschaft ihn auch in arge Schwierigkeiten, und alles nur, weil sein Herrchen von seiner Gattin
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