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Chaplins Katze, Clintons Kater

Chaplins Katze, Clintons Kater

Titel: Chaplins Katze, Clintons Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Dudman
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betrogen wird. Ponto findet einen Handschuh unter dem Sofa und bringt ihn stolz seinem Herrn. Leider gehört er aber einem Baron, der der Gattin Besuche abstattet, wenn der Herr nicht zu Hause ist, und nach einigen weiteren Missgeschicken wird Ponto aus dem Haus gejagt. (Mir kommt allerdings der Gedanke, dass jeder vernünftige Pudel den Unterschied zwischen dem Handschuh seines Herrn und einem ehebrecherischen Handschuh erschnüffelt hätte. Nun ja…) Jedenfalls kommt Ponto ausgerechnet in den Haushalt des Barons, der ihn dazu benutzt, Nachrichten an die untreue Ehefrau zu überbringen… Aber das ist eine Geschichte für einen kitschigen Frauenroman, und diesen Handlungsstrang wollen wir hier nicht weiterverfolgen.
    Nach einigen unguten Erfahrungen zusammen mit Ponto in einem Hunde-»Salon«, philosophiert Murr ausgiebig über die Probleme eines schöpferischen Genies:

    »Wie kommt es«, sprach ich zu mir selbst, indem ich sinnig die Pfote an die Stirn legte, »wie kommt es, dass große Dichter, große Philosophen, sonst geistreich, lebensweise, sich im sozialen Verhältnis mit der sogenannten vornehmen Welt so unbehilflich zeigen?«

    Darauf folgt eine sanfte Mahnung des Herausgebers: Murr, es tut mir leid, dass du dich so oft mit fremden Federn schmückst. Du wirst, wie ich mit Recht befürchten muss, dadurch bei den geneigten Lesern merklich verlieren. –
    Kommen alle diese Betrachtungen, mit denen du dich so brüstest, nicht geradehin aus dem Munde des Kapellmeisters Johannes Kreisler?

    Hoffmanns Name ist auch bei Musikfreunden in Offenbachs Oper ›Hoffmanns Erzählungen‹ unsterblich geworden, die auf einigen seiner Werke aufbaut. Und, wie wir noch sehen werden, durch die Musikstücke ›Kreisleriana‹, wenn auch wohl nur wenige Leser die Geschichte hinter diesem Namen kennen.
    »Keinem Buche ist ein Vorwort nötiger als gegenwärtigem«, schreibt Hoffmann im Vorwort des ›Murr‹. Er erklärt die
    »wunderliche Weise«, wie es sich zusammengefügt hat, und die chaotischen Sprünge zwischen den beiden anscheinend nicht miteinander zusammenhängenden Manuskripten: Kater Murr, der sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht hat, beschloss ein Buch zu schreiben. Wir erinnern uns, er ist ein Genie, nicht jede Katze könnte dergleichen. Er begann, zunächst ziemlich unordentlich, am Schreibtisch seines Herrn zu schreiben. Mit Feder und Tinte. Wie primitiv das heute klingt…
    Während er langsam und mühselig schrieb, gerieten dem Kater leider die Seiten seines eigenen literarischen Werkes mit denen eines anderen Manuskriptes durcheinander: mit der von einem unbekannten Autor verfassten Biografie, die auch auf dem Schreibtisch lag. Die feuchte Tinte verklebte die Seiten, der Verleger druckte sie so, wie er sie überreicht bekam – und schon haben wir zwei sehr dichte Geschichten miteinander vermischt! Der »Herausgeber« entschuldigt sich für dieses technische Versehen und macht auch seine Bemerkungen zum
    »etwas stolzen Ton« des »schriftstellerischen Katers«.
    Das zweite Manuskript ist die Biografie des fiktiven Musikers und Kapellmeisters Johannes Kreisler und ein Bericht über seine angsterfüllte Lebensfreundschaft mit Murr und mit einem »Zauberer«, über eine Liebesgeschichte, die von politischen und anderen Problemen getrübt wird, über eine Zuflucht zur Religion und zwei Morde.
    Die ›Kreisleriana‹ haben also rein gar nichts mit dem Geiger Fritz Kreisler zu tun, der erst etwa fünfzig Jahre nach Hoffmanns Schöpfung des »Kreisler« geboren wurde. Die Klavierstücke dieses Namens wurden 1838 von Schumann komponiert, waren Chopin gewidmet und wurden nach der Person Kreisler benannt, die im ›Murr‹ und einem anderen Werk Hoffmanns erscheint. Hoffmann selbst benutzte den Namen »Johannes Kreisler« als journalistisches Pseudonym, wenn er für eine Musikzeitschrift schrieb. Er verfasste ausgezeichnete kritische Artikel über den damals beinahe völlig in Vergessenheit geratenen Bach, über Beethoven und viele andere.
    Seine größte, beinahe fanatische Bewunderung galt allerdings Mozart, der starb, als Hoffmann gerade 15 Jahre alt war.
    Hoffmanns ursprüngliche Vornamen waren Ernst Theodor Wilhelm. Den Namen Wilhelm ließ er fallen und legte sich stattdessen ein A für Amadeus zu.
    Die Parallelen zwischen Hoffmanns Leben und dem Leben, das er in Murrs »Autobiografie« entwirft, sind kaum zu übersehen. Hoffmann hatte eine unglückliche Kindheit verbracht, seine Eltern trennten sich,

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