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Chaplins Katze, Clintons Kater

Chaplins Katze, Clintons Kater

Titel: Chaplins Katze, Clintons Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Dudman
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Macho-Gehabe war nur eine Maske für seine Unsicherheit.« Sie gingen sogar noch weiter und brachten seine eigene sexuelle Ambivalenz und seinen »Kampf gegen das Androgyne« ins Spiel. Solche Experten erinnern gern daran, dass der kleine Ernest in Mädchenkleider gesteckt wurde und von seiner Mutter, einer verkrachten Opernsängerin, als »Zwilling« seiner etwas älteren Schwester großgezogen wurde. Sein Vater, ein erfolgreicher Arzt (und manisch depressiver Mann, der sich eine Kugel in den Kopf jagte, als Ernest dreißig Jahre alt war), ging in die entgegengesetzte Richtung und verherrlichte die maskulinen Aktivitäten des Jagens und Fischens.
    Hemingways drei Söhne aus den beiden ersten Ehen hatten kein glückliches Leben. Der Jüngste, der sich offen als Transvestit bekannte, teilte der ›Washington Post‹ anlässlich der Veröffentlichung von ›Der alte Mann und das Meer‹
    unumwunden mit, er halte das Buch für sentimentales Gewäsch von der schlimmsten Sorte.
    Als Hemingway einmal von einem Analytiker gefragt wurde, was er aus der Psychoanalyse gelernt habe, antwortete er »sehr wenig« und fügte noch hinzu, er hoffe, dass »sie [die Analytiker] so viel wie irgend möglich aus meinen veröffentlichten Werken gelernt haben«.
    Was die Analytiker aus seiner Katzenliebe gelernt haben, ist sicherlich bisher nicht genügend betont worden. Es wurde zwar schon ungeheuer viel über Hemingways Leben und dessen Widerhall in seinem Werk geschrieben, aber das Leben mit seinen Katzen – wenn er aß, saßen sie auf dem Tisch, gleich neben den Weinflaschen – wurde wie üblich sträflich vernachlässigt.
    In einer Kurzgeschichte mit dem Titel ›Katze im Regen‹
    wählt Hemingway als zentrale Figur eine junge Ehefrau, deren Mann im Bett liegt und gleichgültig in seinem Buch weiterliest. Die beiden sind in einem kleinen italienischen Hotel abgestiegen. Im zweiten Absatz der Geschichte taucht eine heimatlose Katze auf:

    Die junge Amerikanerin stand am Fenster und sah hinaus.
    Grad unter ihrem Fenster hockte eine Katze unter einem der vom Regen triefenden Tische. Die Katze suchte sich so zusammenzuballen, dass es nicht auf sie tropfen konnte.

    Die namenlose »Amerikanerin« verkündet, sie würde jetzt nach unten gehen und das Kätzchen holen. Der Mann bietet vom Bett aus an, er könnte das auch machen.
    »Nein, ich hol es. Das arme Kätzchen da draußen, was es sich anstrengt, um unter dem Tisch trocken zu bleiben.«
    In den wenigen verbleibenden Absätzen geht die Ehefrau nach unten, redet am Empfang mit dem alten Hotelbesitzer, den sie mag. »Sie mochte, wie er sich als Hotelbesitzer fühlte.
    Sie mochte sein altes, schweres Gesicht und seine großen Hände.«
    Draußen versucht sie ohne Erfolg, die Katze zu finden. Ein Zimmermädchen kommt mit einem Regenschirm aus dem Hotel gelaufen und fragt sie, ob sie etwas verloren hat.
    »Da war eine Katze«, sagte die junge Amerikanerin.
    »Eine Katze?«
    »Si, il gatto.«
    »Eine Katze?«, lachte das Zimmermädchen. »Eine Katze im Regen?«
    »Ja«, sagte sie, »unterm Tisch«, und dann: »Ach, ich wollte sie so gern haben. Ich wollte so gern ein Kätzchen haben.«
    Das Zimmermädchen geleitet die junge Ehefrau zurück ins Hotel. Oben im Zimmer fragt der gleichgültige Ehemann, ob sie die Katze gefunden hat. Nein, »sie war weg«. Es folgen noch einige Sätze im Dialog. Die Frau verkündet, dass sie ihre Frisur verändern möchte, dass sie es so überhat, »wie ein Junge auszusehen«.
    Der Mann, das Buch noch in der Hand, erwidert, dass sie
    »ganz verteufelt hübsch« aussieht. Die Frau entgegnet, sie wolle »das Haar ganz straff und glatt nach hinten ziehen und hinten einen schweren Knoten machen, den ich wirklich fühlen kann«… »Und ich möchte ein Kätzchen haben, das auf meinem Schoß sitzt und schnurrt, wenn ich es streichle.«
    »Wahrhaftig?«, ist die Antwort des Gatten.
    Die Frau fährt fort, sie wolle im Kerzenschein an einem Tisch essen, sie wünschte, es wäre Frühling, sie wünsche sich ein Kätzchen und neue Kleider.
    »Nun hör schon auf und nimm dir was zu lesen«, erwidert der Mann.
    In dem Augenblick klopft es an der Zimmertür. Das Zimmermädchen steht da und hält »eine große,
    schildpattfarbene Katze eng an sich gepresst, die an ihrem Körper herunterhing. ›Verzeihung‹, sagte sie. ›Der Fadrone sagte, ich soll dies der Signora bringen.‹«
    Und das ist das Ende der Geschichte. Selbst bei
    oberflächlicher Lektüre scheint sie voller

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