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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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Garrick-Club geschrieben, was zur Folge hatte, das Yates aus dem Club ausgeschlossen wurde. Dickens solidarisierte sich mit dem Freund, trat ebenfalls aus und brach den Kontakt zu Thackeray ab. Erst fünf Jahre später kam es kurz vor Thackerays Tod zu einer Versöhnung. Einen anderen, viel engeren Freund verlor Dickens in Mark Lemon, dem Herausgeber von
Punch.
Als er von diesem verlangte, seine persönliche Erklärung zu den
domestic troubles
in
Punch
zu drucken, weigerte sich Lemon; und auch Dickens’ Verleger Evans, der Miteigentümer der Zeitschrift, legte sich quer. Das führte zu einer doppelten Trennung. Der Bruch mit Lemon wurde erst 1867 am Totenbett Clarkson Stanfields gekittet, doch für den Bruch mit dem Verleger sah der erzürnte und nachtragende Dickens keine Heilungschance und beschloss, die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden.
    Über die weitere Entwicklung von Dickens’ Beziehung zu seinerjungen Geliebten waren nur die engsten Freunde und Verwandten informiert. Die Nachwelt erfuhr davon – nach ersten Andeutungen in Thomas Wrights Dickens-Biographie von 1934 – ausführlicher erst durch das 1939 erschienene Buch der oben erwähnten Gladys Storey. In zeitgenössischen Quellen wurde Nelly nur einmal zusammen mit Dickens öffentlich wahrgenommen, als sie 1865 mit ihm und ihrer Mutter von einem Aufenthalt in Paris zurückkehrte und alle drei in ein Eisenbahnunglück verwickelt wurden. Andere Zeugnisse lassen sich indirekt erschließen. Da Nellys volljährige Schwester Fanny 1859 einen langfristigen Pachtvertrag für ein großes Haus in Houghton Place abschloss und den Vertrag ein Jahr später an die dann volljährig und damit geschäftsfähig gewordene jüngere Schwester weitergab, muss man annehmen, dass Dickens dies finanziert hat; denn zwei so wenig bekannte Schauspielerinnen hätten sich das sonst nicht leisten können. 1866, nach dem Eisenbahnunglück, bezog Nelly ein Cottage in Slough, dessen Miete von einem gewissen Mr. Tringham bezahlt wurde. Auch für das stattliche Haus Windsor Lodge in Peckham, in das Nelly 1867 umzog, zahlte ‹Mr. Tringham›. Hinter diesen Transaktionen steckte zweifellos Dickens, dessen häufige Besuche in Slough und Peckham bezeugt sind. In Briefen an seinen Geschäftspartner William Henry Wills, der in die Affäre eingeweiht war, taucht regelmäßig der Vermerk auf: «ein Brief an meinen Liebling liegt bei». Wills war offensichtlich der Postillon d’Amour in dieser Angelegenheit.
    Ihren letzten Bühnenauftritt hatte Nelly am 10. August 1859. Danach war sie nur noch die von Dickens ausgehaltene Geliebte. Doch ob sie das auch im landläufigen Sinne war, ist eines der Rätsel der Dickensforschung. Dickens selber hat es selbst gegenüber engsten Freunden immer entrüstet bestritten. Dass seine Bekundungen einer «ehrenhaften» platonischen Beziehung möglicherweise der Wahrheit entsprechen, ist nicht ganz auszuschließen. Da seine Ehefrau in kurzen Abständen schwanger geworden war, spricht das Ausbleiben von außerehelichem Nachwuchs für seine Behauptung. Allerdings erwähnt seine Tochter fünfzig Jahre später ein Kind, das bald nach der Geburt gestorben sei. Das könnte aber auch der Absicht entsprungen sein, den Vater so erscheinen zu lassen, wie man sich in den 1920er Jahren einen Künstler vorstellte. Ein Eintrag eines Kindes von Nelly in ein Geburtsregister konnte jedenfalls bisher nicht gefunden werden. Als sie nach Dickens Tod1876 einen jungen Geistlichen heiratete, hatte sie von diesem zwei Kinder.
    Das gewichtigste, zugleich aber auch am schwersten zu beweisende Argument für eine asexuelle Beziehung ist Dickens’ tiefe Sehnsucht nach Unschuld. Darin stand er in seiner Zeit nicht allein, wie an früherer Stelle bereits ausgeführt wurde. Zwanzig Jahre lang trauerte er um die mit siebzehn Jahren verstorbene Schwägerin Mary und trug bis zu seinem Tod ihren Ring am Finger. Fünf Jahre nach ihrem Tod fand er Ersatz für sie in ihrer fünfzehnjährigen Schwester Georgina, die er zwar nicht auf die gleiche schwärmerische Weise verehrte, aber doch für ein Muster an Tugend hielt; und weitere zwei Jahre darauf verliebte er sich platonisch in die neunzehnjährige Pianistin Christiana Weller. Jetzt, dreizehn Jahre später, hatte er in der achtzehnjährigen Schauspielerin wieder eine Kindfrau gefunden, die seinem Ideal von weiblicher Unschuld entsprach. Bei einem Mann, der in seinen Romanen vor äußerster Sentimentalität nicht zurückschreckte, wenn es um die

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