Charles Dickens
seitdem das Gerücht kolportiert, Dickens habe eine Halskette an Ellen Ternan geschickt, die durch ein Missverständnis auf Seiten des Juweliers an seine Frau geliefert wurde, worauf diese ihm eine Eifersuchtsszene machte. Tatsache ist, dass seine Ehekrise von immer mehr Menschen in seinem Bekanntenkreis wahrgenommen wurde und dass bereits Gerüchte über ein außereheliches Liebesverhältnis kursierten. Das zwang ihn zum Handeln.
Am 7. Mai scheint es zwischen Forster, der Dickens, und MarkLemon, der Catherine vertrat, zum Entwurf eines Trennungsvertrags gekommen zu sein. Zwei Tage später schrieb Dickens einen Brief an Miss Burdett-Coutts, in dem er zwar mit einem halbherzigen Eingeständnis eigener Schuld beginnt, dann aber Dinge behauptet, die offensichtlich unwahr sind. So schreibt er, dass Catherine nie ein emotionales Verhältnis zu ihren Kindern gefunden habe und dass ihre Töchter in ihrer Nähe «zu Stein erstarrten». Er deutet sogar an, dass sie zeitweilig Anzeichen von Geistesverwirrung gezeigt habe. Im Laufe des Mai kam es nach langwierigen Verhandlungen zu einer Trennungsvereinbarung, der Catherine notgedrungen zustimmen musste; denn nach dem damaligen Familien- und Eherecht hatte Dickens das Gesetz auf seiner Seite. Er war der alleinige Eigentümer des gesamten familiären Besitzes und schuldete seiner Frau nur den Unterhalt. In dem Vertrag, den die Parteien am 26. Mai unterzeichneten, wurde vereinbart, dass Catherine zusammen mit ihrem ältesten Sohn ein von Dickens gemietetes Haus in London beziehen sollte, wo sie von ihm einen jährlichen Unterhalt von 600 Pfund erhalten würde. Die anderen Kinder sollten bei ihm bleiben und von Georgina versorgt werden. Dickens verbot ihnen danach zwar nicht den Kontakt mit der Mutter, doch er legte einen Bannfluch auf alle, die mit seiner Schwiegermutter verkehrten.
Um die zunehmenden Gerüchte über ein ehebrecherisches Verhältnis einzudämmen, gab Dickens am 29. Mai dem Manager seiner Lesetour, Arthur Smith, ein Schreiben mit seiner Darstellung des häuslichen Geschehens und mit der Anweisung, davon gegebenenfalls Gebrauch zu machen. In diesem Schriftstück behauptet er, dass seine Frau die Trennung selber gewünscht habe, dass Forster ihn schließlich überzeugt habe einzuwilligen und dass er die finanzielle Seite großzügig geregelt habe. Zum Schluss teilt er einen scharfen Hieb gegen «boshafte Personen» aus, die Gerüchte über eine Beziehung zwischen ihm und «einer jungen Dame» in die Welt gesetzt hätten, die jeder Grundlage entbehrten. Mit den boshaften Personen waren Catherines Mutter und ihre jüngste Tochter Helen gemeint, die Catherine beistanden, während ihre Schwester Georgina zu Dickens hielt. Anscheinend hatte Mrs. Hogarth Dickens’ Beziehung zu Ellen Ternan publik gemacht.
Verschärft wurde der familiäre Skandal dadurch, dass Georgina in Dickens’ Haushalt blieb und dort an seinen Kindern Mutterstelle vertrat.Das gab Anlass, eine sexuelle Beziehung zwischen Schwager und Schwägerin zu vermuten, was damals als Blutschande strafrechtlich geahndet werden konnte. Das Schreiben, das Dickens Arthur Smith gegeben hatte, wurde am 16. August in der
New York Tribune
veröffentlicht und gegen Dickens’ Willen von mehreren britischen Zeitungen nachgedruckt, was ihn erzürnte und zu weiteren Erklärungen zwang. Vorher hatte er bereits am 12. Juni in
Household Words
eine persönliche Erklärung abgegeben, in der er in gravitätisch verklausulierter Form «einige häusliche Probleme» (
some domestic troubles of mine
) ansprach, zugleich aber betonte, dass alles auf höchst ehrenwerte Weise geregelt worden sei, dass er um Respekt für seine Privatsphäre bitte und dass alle Gerüchte über die Beteiligung einer dritten Person «absolut falsch, monströs und grausam» seien.
Dickens’ Freunde reagierten unterschiedlich. Einige hielten zu ihm und brachen den Verkehr mit Catherine ab. Andere wie Forster hielten auch weiterhin Kontakt mit ihr. Thackeray, der selber in den letzten 23 Jahren seines Lebens aufopferungsvoll für seine geisteskranke Frau sorgte und sich an sie auch dann noch gebunden fühlte, als er sie in ein Pflegeheim geben musste, fand Dickens’ Verhalten skandalös und sah darin eine Rufschädigung der schreibenden Zunft. Zwischen ihm und Dickens kam es wenig später aus anderem Anlass zum Bruch. Dickens’ junger Freund Edmund Yates hatte in dem Klatschmagazin
Town Talk
unfreundlich über Thackeray und dessen Auftritte im
Weitere Kostenlose Bücher