Charles Dickens
Mitgliedschaft vorübergehend wieder auf, aus Solidarität mit Macready, der wegen einer persönlichen Kränkung ausgetreten war. Da das Appartement in Furnival’s Inn für die junge Familie zu eng wurde, suchte er jetzt nach einer Wohnung, die seinem neuen Status mehr entsprach. Er fand sie in dem Haus Doughty Street Nr. 48, das er für drei Jahre mietete und am31. März bezog. Eine Woche später gaben Chapman & Hall für ihn ein festliches Dinner, bei dem sie ihm einen Scheck über 500 Pfund und eine edel gebundene Ausgabe der Werke Shakespeares überreichten.
Am 7. Mai 1837 traf Dickens ein Schicksalsschlag, der ihn so tief erschütterte wie kein anderes Ereignis in seinem früheren und späteren Leben. Es war der plötzliche Tod seiner Schwägerin, die gerade erst siebzehn Jahre alt war. Mary hatte seit der Niederkunft ihrer Schwester in seinem Haushalt gelebt und war noch am 6. Mai bei scheinbar bester Gesundheit mit ihm im St. James-Theater gewesen. Am Morgen danach hörte er aus ihrem Zimmer einen Schrei, und als er dorthin stürzte, fand er sie im Zustand heftiger Schmerzen. Ein Arzt wurde eilends herbeigerufen, konnte aber nicht mehr helfen. Um 3 Uhr nachmittags starb sie in Dickens Armen, «still und sanft», wie er in einem Brief schrieb.
Dickens hatte von Anfang an eine tiefe Zuneigung für sie empfunden. Sie war ein schönes, heiteres, bei allen beliebtes Mädchen, das sich liebevoll um die ältere Schwester kümmerte, die eher zur Launenhaftigkeit neigte. Für Dickens blieb sie zeitlebens ein Idol, das ihm als Vorbild für spätere Romanfiguren diente. Auch wenn er in ihr gewiss die schöne junge Frau sah, die ihn erotisch anzog, scheint er die körperliche Anziehung gänzlich aus seinen Gefühlen verdrängt zu haben. Wie für viele seiner viktorianischen Zeitgenossen war auch für ihn mädchenhafte Unschuld ein Ideal, das gerade aus der Verdrängung des Sexuellen seinen Wert empfing. Bei seiner Frau löste der Tod der Schwester eine Fehlgeburt aus, bei ihm selber eine vorübergehende Lähmung seines Schaffens. Er sah sich außerstande, die für Ende Mai vorgesehene Lieferung der
Pickwick Papers
zu schreiben, und auch die Fortsetzung von
Oliver Twist
blieb aus. Im Juli machte er dann zusammen mit Catherine und seinem Illustrator Browne eine Woche Urlaub in Frankreich und im August und September einen längeren Familienurlaub in Broadstairs an der kentischen Küste. Danach kehrte seine alte Schaffenskraft zurück. Am 18. November feierte er mit Freunden und seinen Verlegern den Abschluss der
Pickwickier
mit einem großen Bankett im noblen Prince of Wales Hotel am Leicester Place, was er sich 42 Pfund kosten ließ.
Chapman & Hall wussten, welchen Goldesel sie in Dickens hatten, und versuchten deshalb, ihn durch bessere Konditionen an sich zu binden.So willigten sie ein, ihm nach fünf Jahren ein Drittel des Copyrights an den
Pickwick Papers
zu überlassen. Außerdem schlossen sie mit ihm einen Vertrag über einen neuen Fortsetzungsroman, noch ohne Titel, für dessen 20 Lieferungen Dickens je 150 Pfund erhalten sollte. Das brachte seine Gesamteinkünfte aus dem gerade abgeschlossenen Roman auf 2000 Pfund und eröffnete ihm die Aussicht auf 3000 Pfund für den nächsten, zusätzlich zu den Honoraren für den erfolgreich laufenden
Oliver Twist
, von dem inzwischen knapp ein Drittel erschienen war. Weitere Einkünfte in Höhe von 300 Pfund vorab und der gleichen Summe bei entsprechendem Absatz hatte er für die Herausgabe der Memoiren des berühmtesten Clowns seiner Zeit, Joseph Grimaldi, in Aussicht. Als Kind hatte er diesen Clown geliebt und bewundert. Ob er sich deshalb oder des Geldes wegen die zusätzliche Aufgabe aufhalsen ließ, ist schwer zu sagen. Jedenfalls hatte er den Auftrag dafür von Bentley angenommen, obwohl er den Verleger nicht mochte, ihn zeitweilig sogar hasste und sich von ihm ausgenommen fühlte. Als am 9. Dezember 1837 mit großem Pomp die Taufe seines Sohnes gefeiert wurde, durfte er sich als ein bereits über die Landesgrenzen hinaus berühmter Autor und als ein rundum geachteter Bürger fühlen.
Mary Hogarth. Nach einem verschollenen Porträt von Hablot Knight Browne.
Der 25-jährige Dickens, seine 22-jährige Frau und der knapp einjährige Sohn bildeten eine Familie, über der ein guter Stern zu stehenschien. Auch wenn er für Frau und Kind wenig Zeit hatte, war er doch ein Familienmensch, der Geselligkeit im eigenen Heim und lange Zeit auch das Spiel mit seinen
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