Charles Dickens
Berater werden sollte. Forster, der im selben Jahr wie er als zweiter Sohn eines Fleischers in Newcastle geboren wurde, war mit 16 Jahren nach London gekommen, um sich hier an der Rechtsschule des Inner Temple zum Juristen ausbilden zu lassen. Doch schon bald überwogen bei ihm die literarischen Interessen. Als Theaterkritiker, zuerst für die Zeitung
True Sun
und danach für den
Examiner
, lernte er rasch die literarische Prominenz der Metropole kennen, schloss Freundschaft mit Charles Lamb, Leigh Hunt und Walter Savage Landor, drei noch lebenden Essayisten der vorangegangenen romantischen Epoche, und mit Macready, dem angesehensten Schauspieler jener Zeit. Seine eigene literarische Begabung lag auf dem Felde der Geschichtsschreibung, wo er später umfangreiche Werke schuf. Sein sicheres Urteil über dichterische Werkeund sein stetig wachsender Bekanntenkreis machten ihn zu einer einflussreichen Figur in der Literaturszene. Dickens und Forster fühlten sich sogleich zueinander hingezogen, was vermutlich daher rührte, dass beide sich aus einfachen Verhältnissen hocharbeiten mussten. Obwohl sie gleichaltrig waren, übernahm Forster schon bald die Rolle des väterlichen Freundes, Beraters und Mentors. Seine Fähigkeit, Fäden zwischen Literaten zu knüpfen, in Verbindung mit seinen juristischen Kenntnissen beim Aushandeln von Verträgen, sollte sich für Dickens als nützlich erweisen. Schon kurz nach der ersten Bekanntschaft half ihm Forster, aus dem Vertrag mit Macrone herauszukommen. Erst gegen Ende seines Lebens wurde Dickens’ Haltung Forster gegenüber etwas reservierter.
John Forster (1840). Gezeichnet von Daniel Maclise.
Das Trio Forster, Ainsworth und Dickens bildete eine Zeitlang den Cerberus-Club, so benannt nach dem dreiköpfigen Höllenhund. Am 16. Juni 1837 erweiterte sich der Freundeskreis durch Vermittlung Forsters um den 19 Jahre älteren prominenten Schauspieler William CharlesMacready, der bis zu Dickens’ Tod einer seiner treuesten Freunde blieb. Wenig später kam als fünfter im Bunde der irische Maler Daniel Maclise hinzu. Um diesen engsten Kreis scharten sich weitere Freunde, darunter der Jurist Thomas Talfourd, dem Dickens die Buchausgabe der
Pickwick Papers
widmete, die Illustratoren Clarkson Stanfield und George Cattermole, der Maler Edwin Landseer und auch schon Dickens’ späterer Hauptkonkurrent Thackeray. Forster berichtet, dass die engeren Freunde sich 1838 und 1839 mit Dickens auch an seinen Urlaubsorten Twickenham und Petersham trafen, wo sie sich mit sportlichen Wettkämpfen vergnügten, bei denen Dickens die anderen an Ausdauer weit übertroffen habe.
William Charles Macready. Zeitgenössischer Stich.
Am 1. Januar 1837 begann Dickens’ Tätigkeit als Herausgeber von Bentleys Magazin, das inzwischen in
Bentley’s Miscellany
umbenannt worden war, sehr zu seiner Erleichterung; denn
The Wit’s Miscellany
klang allzu sehr nach 18. Jahrhundert. In dieser Zeitschrift sollte ab Februar sein neuer Roman
Oliver Twist
in monatlichen Fortsetzungen,mit gelegentlichen Unterbrechungen, erscheinen, während er gleichzeitig noch die letzten zehn der insgesamt zwanzig Folgen der
Pickwick Papers
schreiben musste. Das zwang ihn zu strikter Arbeitsdisziplin. Die ersten zwei Wochen jedes Monats widmete er dem neuen Roman, die letzten beiden dem alten. Darüber hinaus musste er sich aber noch jeden Monat um die weitere Füllung des Magazins kümmern, was ihn gelegentlich zwang, neben der Romanfortsetzung weitere Beiträge zu schreiben.
Charles Dickens (1837). Zeichnung von Samuel Laurence.
Bei dieser immensen Produktivität wird seine junge Ehefrau wenig von ihm gehabt haben. Schon in der Flitterwoche war sie schwanger geworden und brachte am 6. Januar 1837 den Sohn Charles Culliford (genannt «Charley») zur Welt. Dass sie ihn nicht stillen konnte, bedrückte sie, weil sie fürchtete, dass das Kind sie dann weniger liebenwürde. Eine seelische Stütze fand sie in ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Mary, die von beiden Eheleuten wegen ihrer heiteren Art und ihres gesunden Menschenverstandes geliebt wurde.
Catherine Dickens (1837). Zeichnung von Samuel Laurence.
Dickens selber blieb wenig Zeit, die Vaterfreuden zu genießen. Schon zwei Wochen nach dem freudigen Ereignis ließ er sich in den Garrick Club aufnehmen, was einem literarischen Ritterschlag gleichkam, da in dem Club viele angesehene Autoren und Theaterleute verkehrten. Allerdings gab er schon ein Jahr später die
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