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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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Volksbildung. George Washington hatte seinerzeit das Schlagwort
diffusion of knowledge
(‹Verbreitung von Wissen›) geprägt und den Vorschlag gemacht, Zeitungen kostenlos durch die Post befördern zu lassen. Deshalb sah vor allem die amerikanische Presse in Dickens’ Forderung nach einem internationalen Copyright-Abkommen den Versuch, aus materiellem Gewinnstreben ein demokratisches Recht zu beschneiden.
    Amerikanische Autoren waren eher geneigt, Dickens’ Forderung zu unterstützen; denn sie litten unter der billigen Konkurrenz nichthonorierter Nachdrucke europäischer Autoren und erhielten auch ihrerseits keine Honorare aus Europa. Dennoch wurde Dickens’ Kritik, die anfangs noch sehr freundlich verpackt war, als massiver Angriff auf ein amerikanisches Grundrecht und damit als Affront gegen die amerikanische Ehre empfunden. Seine Berichte über Amerika fielen von da an immer negativer aus.
    Eine weitere Zielscheibe seiner Kritik war die Sklaverei. Doch dazu nahm er erst nach seiner Rückkehr mit aller Schärfe Stellung; dennihm war nach der Reaktion auf seine Copyright-Forderung bewusst geworden, wie empfindlich die Amerikaner auf jede Art von Kritik reagierten. Da scheute er dann doch davor zurück, sich in die Kampagne der
abolitionists
für die Abschaffung der Sklaverei öffentlich einzumischen.
    Von New York ging die Reise weiter nach Philadelphia, wo Dickens zweimal mit Edgar Allan Poe zusammentraf, der als Kritiker früh den literarischen Rang des britischen Kollegen gewürdigt hatte und nun hoffte, dass dieser auch etwas für die Verbreitung seiner eigenen Werke in England tun könne. In Philadelphia besuchte Dickens das Eastern Penitentiary, ein zwölf Jahre zuvor errichtetes Gefängnis, das als moderne Errungenschaft die konsequente Einzelhaft aller Gefangenen praktizierte, um zu verhindern, dass die Häftlinge durch den Einfluss anderer Gefangener in ihrer Kriminalität bestärkt würden. Dickens sah darin eine Unmenschlichkeit, die ihn entsetzte.
    Von Philadelphia reiste er weiter nach Washington, wo er von Präsident John Tyler empfangen wurde. Die noch unfertige Hauptstadt beeindruckte ihn nicht sonderlich. Außer den bereits fertigen Repräsentationsbauten der Bundesregierung sah er dort nur «großzügige Avenuen, die im Nichts beginnen und im Nichts enden». Nach einer Woche ging es am 17. März weiter nach Richmond, der Hauptstaat des Staates Virginia, in dem die Sklaverei legal war. Bei einem Empfang hielt er hier seine letzte Rede auf amerikanischem Boden. Der Zwang, aus Höflichkeit das Thema der Sklaverei vermeiden zu müssen, scheint ihn so belastet zu haben, dass er die geplante Weiterreise in den Süden nach Charleston aufgab und sich, angewidert von der unübersehbaren Präsenz dieses zivilisatorischen Schandflecks, nach St. Louis hin orientierte, wo man ihn zu einem öffentlichen Dinner eingeladen hatte.
    Doch zunächst ging es zurück nach Washington und von dort weiter nach Baltimore. Hier traf er erneut mit Washington Irving zusammen und verbrachte einen angenehmen Abend mit ihm. Dickens beschrieb den amerikanischen Kollegen als
a great fellow
, mit dem er «herzhaft gelacht» habe. Die Weiterreise führte über York und Harrisburg nach Pittsburg, das Dickens an Birmingham erinnerte. Hier bewies er seine hypnotische Fähigkeit, als er nach dem Verfahren des Mesmerismus seine Frau vor Zeugen innerhalb von sechs Minuten in Trance versetzte, um ihren Kopfschmerz zu heilen.
    Weiter ging es zu Schiff nach Cincinnati, einer Stadt, die ihm gut gefiel und von der er schrieb, dass sie wie eine Stadt aus Tausendundeiner Nacht aus dem Urwald hervortrete. Über Louisville in Kentucky, wo die Reisenden am 7. April übernachteten, ging es den Ohio stromab nach St. Louis, dem westlichsten Punkt der Reise. Auf dem Wege dorthin kamen sie an Cairo vorbei, einer Stadt an der Mündung des Ohio in den Mississippi, die Dickens’ Vorbild für das deprimierende Eden in
Martin Chuzzlewit
wurde. Am 10. April kamen sie in St. Louis an, wo Dickens die Gesellschaft bei der ihm zu Ehren gegebenen Dinnerparty als so unerträglich eingebildet empfand, dass er froh war, nach vier Tagen wieder nach Cincinnati zurückkehren zu dürfen. Über Columbus und Cleveland ging es weiter zu den Niagara-Fällen und von dort mit dem Dampfer über den Ontariosee nach Toronto in Kanada, wo er das Gegenteil von amerikanischem Demokratismus vorfand, nämlich etwas, das er als
rabid Toryism
, als ‹tollwütigen

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