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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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Sein Engagement nahm in der Gründungsphase soviel Zeit in Anspruch, dass er in diesem Jahr schweren Herzens auf das Schreiben einer Weihnachtserzählung verzichtete. Als sei die Arbeit für
Urania Cottage
noch nicht genug, folgte er am 1. Dezember der Einladung zu einem öffentlichen Dinner der
Mechanics’ Society
in Leeds, wo er den Ehrenvorsitz innehatte und sich in einer Rede für die Verbesserung der Volksbildung einsetzte. Nach einer kurzen Ruhepause über Weihnachten war er erneut in Sachen Volksbildung unterwegs. Auf Einladung des
Athenaeum
in Glasgow reiste er mit seiner Frau über Edinburg dorthin, doch kurz vor dem Ziel erlitt Catherine im Zug eine Fehlgeburt. Das hielt Dickens nicht davon ab, sich auf dem abendlichen Dinner feiern zu lassen. Der Gesundheitszustand seiner Frau zwang ihn danach, über Silvester und Neujahr in Schottland zu bleiben.
    Das Jahr 1847, das Dickens ursprünglich zur Hälfte in guter Muße in Paris hatte verbringen wollen, war für ihn zu einem stetig anschwellenden Strudel von sozialpolitischen Aktivitäten geworden. Dabei wurde gerade in diesem Jahr Literatur produziert, die ihm anzeigte, dass er seine ganze Kraft und sein ganzes Genie würde einsetzen müssen, um gegen die aufkommende Konkurrenz bestehen zu können. Sein stärkster Rivale Thackeray hatte mit der Publikation seines Meisterwerks
Vanity Fair
(
Jahrmarkt der Eitelkeit
) begonnen; und mit
Jane Eyre
, dem Roman der noch gänzlich unbekannten Charlotte Brontë, war ein neuer Typ von psychologischem Realismus auf den literarischen Markt gekommen, der nicht zu Dickens’ Stärken zählte. Mit umso mehr Ehrgeiz machte er sich deshalb an den Abschluss von
Dombey und Sohn.
Zudiesem Zweck ging er Ende Februar 1848 mit Catherine für eine Woche nach Brighton, wo er sich von der Meeresküste für das Schlusstableau des Romans inspirieren ließ. Am 24. März schrieb er den letzten Satz und fügte noch ein kurzes Vorwort hinzu, mit dem er sich bei seinen Lesern für die warme Anteilnahme bedankte. Er widmete das Buch der Gräfin Normanby, der Frau des englischen Botschafters in Paris; die beiden hatte er schon früher kennengelernt und war bei ihnen in Paris ein gern gesehener Gast. Die gebundene Ausgabe erschien in einem Band am 12. April 1848.
    Am Tag zuvor hatte Dickens, wie es bei ihm inzwischen fester Brauch war, die Geburt des neuen Werkes mit einem Festessen gefeiert. Schon die 19 monatlichen Fortsetzungen hatten ihm rund 9000 Pfund eingebracht, siebeneinhalb mal mehr, als Thackeray mit
Vanity Fair
einnahm. Das war für ihn der endgültige finanzielle Durchbruch. Von nun an war er sicher, sich und seine Familie mit seinen Romanen ernähren zu können. Ob er aber auf Dauer auch künstlerisch gegen den Konkurrenten würde bestehen können, war nicht so gewiss. Vor dem Erscheinen von
Vanity Fair
hatte er den Rivalen nicht zu fürchten brauchen; denn der hatte bis dahin eine glücklose Karriere hingelegt. Nachdem Thackeray das väterliche Vermögen teils verspielt, teils durch den Bankrott einer von ihm gekauften Zeitung verloren hatte, heiratete er 1836 eine Irin ohne Vermögen, die vier Jahre später geisteskrank wurde und 1842 in einem Heim untergebracht werden musste, wo sie erst 1894 starb. Danach war er gezwungen, mit seiner Feder den Unterhalt seiner kranken Frau und seiner zwei kleinen Töchter zu verdienen. Im Vergleich mit ihm war Dickens trotz seines traumatischen Kindheitserlebnisses ein Glückspilz.
    Beide Erzähler reagierten auf das, was sie erlitten hatten, mit Gesellschaftskritik, doch auf sehr unterschiedliche Weise. Dickens verband seine Kritik mit Humor und Empathie, Thackeray die seine mit satirischem Witz und ironischer Distanz. Anfangs wurde seine Ironie als so kalt empfunden, dass er mit seinem ersten beachtenswerten Roman
Barry Lyndon
, der 1844 in Fortsetzungen erschien, beim Publikum nicht ankam, weshalb die Buchfassung erst 1856 herauskam. Doch in
Vanity Fair
gelang es ihm, einen Erzählton von souveräner Kühle durchzuhalten, den anspruchsvolle Kritiker höher schätzten als die menschliche Wärme, die selbst noch aus einem Roman wie
Oliver Twist
sprach. Imeuropäischen Vergleich schien Thackeray Autoren wie Stendhal, Balzac, Flaubert und Turgenjew ebenbürtiger zu sein als Dickens. Für diesen kam es deshalb darauf an, das, was ihn «unnachahmlich» machte, beizubehalten, es aber mit einer tiefer dringenden Darstellung der realen Welt zu verbinden.
    William Makepeace Thackeray (1852).

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