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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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noch längere Zeit zu bleiben gedachte, wurde Sohn Charleykurz nach Weihnachten nach London geschickt, um dort an der King’s College School eine von Miss Burdett-Coutts finanzierte standesgemäße Schulbildung zu erhalten.
    «The Sisters».
    Für die Illustrationen von
The Battle of Life
konnte Dickens neben John Leech, Richard Doyle und Clarkson Stanfield wieder einmal seinen Freund Maclise gewinnen, der die Gefahr des Süßlich-Sentimentalen in der Darstellung der beiden Schwestern, um die es in der Geschichte geht, durch einen Hauch von klassizistischer Strenge bannte, wie die Abbildung oben zeigt.
     
Der Kampf des Lebens
    Dickens’ vierte Weihnachtserzählung ist seine schwächste; denn allzu penetrant wird darin der viktorianischen Entsagungsmoral gehuldigt. Die Geschichte handelt davon, wie eine junge Frau plötzlich verschwindet, um ihrer Schwester den geliebten Mann zu überlassen. Als sie nach sechs Jahren wiederkehrt und den Grund für ihr Verschwinden nennt, ist Dr. Jeddler, ihr Vater, so gerührt, dass er seine ironischnihilistische Weltsicht aufgibt und an die Mysterien des menschlichen Herzens glaubt. Der religiöse Unterton der Geschichte ist wohl darauf zurückzuführen, dass Dickens zur selben Zeit an der Nacherzählung des Lebens Jesu schrieb.
    Obwohl die Erzählung mit dem stereotypen «Es war einmal» beginnt, ist sie kein Märchen mit einer allgemeingültigen Moral, sondern eine moralisierende Geschichte, die nur durch die Einbettung in den humoristischen Erzählfluss vor dem Urteil «Schnulze» bewahrt wird. Alle Menschen darin sind gut. Selbst der Bruder Leichtfuß Michael Warden, der als potentieller Verführer dargestellt wird, erweist sich zuletzt als Ehrenmann. Die aufopferungsvolle, aber weniger attraktive Grace, die an der jüngeren Schwester Marion Mutterstelle vertreten hat, bekommt den von beiden geliebten Alfred, der eigentlich Marion versprochen war; und Marion, die sich – unter dem Verdacht, mit Warden durchgebrannt zu sein – zu einer Tante geflüchtet hat, um die Schwester mit dem geliebten Mann glücklich werden zu lassen, darf nach ihrer Rückkehr auf eine Ehe mit Warden hoffen.
    Die Geschichte ist voll von Charaktertypen und Motiven, die in den späteren Romanen wiederkehren und dort thematisch entfaltet werden. So klingen in Warden bereits Charakterzüge der langen Reihe von haltlos durchs Leben treibenden, teils charmant sympathischen, teils zynischen Verführern an, deren typischster Vertreter Steerforth in
David Copperfield
ist. Auch die Kontrastierung einer warmherzig-sanften mit einer reizvollen Frau kehrt mehrfach wieder. Einen geliebten Menschen zugunsten eines Dritten aufzugeben, galt in der viktorianischen Literatur als Ausweis höchster Moral. Während David CopperfieldsJugendliebe sich von Steerforth verführen lässt, spielt Dickens hier nur mit dem Verdacht. Er war sogar entrüstet, als sein Illustrator Leech in einer Zeichnung eine Entführung Marions durch Michael Warden andeutete. Am schwersten zu ertragen sind die Passagen, in denen Dickens nicht erzählt, sondern als Autor spricht. Dann verfällt er oft in ein jambisches Versmaß, das wie die klappernden Blankverse in schlechten Dramen klingt. Das ist in extremer Form am Schluss der Geschichte zu beobachten, wo er in diesem Versmaß über die Zeit räsonniert. Selbst die versuchte Ironie wirkt hier reichlich gequält.
    Die Moral der Geschichte wird von Anfang an allegorisch vorbereitet; denn der Handlungsschauplatz und Wohnort der beteiligten Personen liegt am Rande eines alten Schlachtfeldes. Das gibt Dickens Gelegenheit, seine Geringschätzung, um nicht zu sagen: Verachtung, für militärische Heldentaten zum Ausdruck zu bringen. Zur historischen Resonanz des Geschehens tragen auch die Namen bei. So werden englische Leser beim Namen der männlichen Zentralfigur an König Alfred denken, der unter allen Regenten der Insel am meisten von der Aura eines Friedensbewahrers hat; denn ihm gelang es, die Angelsachsen mit den von ihm besiegten Dänen zu versöhnen. Noch direkter, wenngleich ironisch relativiert kommt der historische Bezug im Namen Benjamin Britain zum Ausdruck. So heißt der Diener Dr. Jeddlers, der mit seinem Dienstherrn die Überzeugung teilt, dass im Grunde alles im Leben und auf der Welt, ja, die ganze Menschheit nur ein
joke
und eine Farce ist. An einer Stelle zitiert Jeddler sogar wörtlich den Satz, mit dem sich angeblich François Rabelais von der Welt verabschiedet hat: «Die Farce

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