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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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aber auch tödlich sein. Die gute Seite der Eisenbahn erfährt die Arbeiterfamilie der Toodles, die der Dombey-Familie als positives Gegenbild gegenübersteht. Als Polly Toodle, das Kindermädchen des kleinen Paul, ihren Schützling und Florence mit zu ihrer Familie nimmt, lernen die beiden zum ersten Mal einen warmherzigen, vitalen und liebevollen Umgang zwischen Eltern und Kindern kennen. Pollys späterer Ehemann findet als Ingenieur eine gute Anstellung bei der Eisenbahn.
    Wer Dickens’ spätere Romane kennt, wird schon hier das thematische Material identifizieren können, das danach immer konsequenter ausgearbeitet wird. Seelisch verhärtete Charaktere wie Mr. Dombey und Edith auf der einen, innerlich haltlose wie Carker auf der anderen Seite und dazwischen die positiven Helden Walter Gay und Florence – das ist eine ständig wiederkehrende Charakterkonfiguration. Nur ist die Zuordnung zu den korrespondierenden Symbolbereichen des Gefängnisses und des Wassers hier noch nicht so kunstvoll ausgeführt wie in den reifen Werken, und das Erbschaftsmotiv wird zum Schluss reichlich krude eingearbeitet. Nach Carkers Tod kommen die letzten Fäden eines verborgenen Geflechts ans Licht, wobei die Auflösung gerade durch das Fehlen eines Testaments möglich wird. Denn dadurch werden Carkers Schwester und sein schwacher Bruder, der sein Leben lang für eine kleine Verfehlung gebüßt hat, Erben seines Vermögens, was den beiden die Möglichkeit gibt, Mr. Dombey nach seinem Bankrott ohne sein Wissen zu unterstützen.
    Gänzlich unbefriedigend ist allerdings der Schluss. Wenn Dombeynach dem Zusammenbruch seiner Firma nachts in das einstige Kinderzimmer seines leeren Hauses geht, dort weinend zusammenbricht, einen Selbstmordversuch unternimmt und durch das plötzliche Auftauchen seiner Tochter gerettet wird, ist das schon hart am Rande der Trivialliteratur. Doch wenn er sich danach als gebrochener Mann zu einem musterhaft guten Vater wandelt, wird wohl jeder anspruchsvolle Leser das Urteil Hippolyte Taines teilen. Dieser französische Literatur- und Kulturkritiker, einer der besten Kenner Englands und der englischen Literatur seiner Zeit, meinte, Dombey «wird zum besten Vater und verdirbt einen guten Roman».
    Der Roman endet mit einer Reihe von Hochzeiten und mit einer Schlussszene, in der der weißhaarige Dombey sich am Strand mit seinen beiden Enkelkindern, Paul und Florence, unterhält. Als die Kleine fragt: «Lieber Großvater, warum weinst du immer, wenn du mich küsst?», antwortet er nur: «Kleine Florence! Kleine Florence!» und streicht ihr das Haar aus der Stirn. Hier wird die moralische Wiedergeburt vor dem Hintergrund des Meeres so penetrant zur Schau gestellt, dass die Symbolik sich in kitschige Idylle verwandelt. Der sentimentale Schluss schmälert aber nicht den Rang dieses außerordentlich dicht geknüpften Romans, der nicht nur durch seine technische Kunstfertigkeit, sondern ebenso durch die eindringliche Schilderung menschlicher Schicksale beeindruckt.

Tod der
Schwester
April bis Dezember 1848
    Wie jedes Mal, wenn er ein Buch abgeschlossen hatte, stürzte sich Dickens unmittelbar danach in manische Aktivität, am liebsten in eine Theateraufführung. Darum war es für ihn ein Geschenk des Himmels, dass kurz vorher eine Gruppe von Shakespeareverehrern das Geburtshaus des «Schwans vom Avon» in Stratford gekauft hatte, um es als nationales Kulturdenkmal zu erhalten. Für die Herrichtung des Gebäudes war Kapital erforderlich, zu dessen Beschaffung Dickens mit Aufführungen von
Die lustigen Weiber von Windsor
beitragen wollte. Zu diesem Zweck reaktivierte er seine alte Truppe, der zum ersten Mal mit Mary Cowden Clarke eine nichtprofessionelle Schauspielerin angehörte. Die hochgebildete Dame, die 1844 und 1845 die erste vollständige Konkordanz zu Shakespeares Stücken herausgebracht hatte, blieb Dickens auch später freundschaftlich verbunden. Die Truppe spielte das Stück insgesamt achtmal, zuerst in London, danach in Manchester, Liverpool, Edinburg und Glasgow.
    In der zweiten Jahreshälfte widmete sich Dickens zahlreichen journalistischen Arbeiten. Er schrieb literarische Rezensionen, kritische Artikel mit Titeln wie
Ignorance and Crime (Unwissenheit und Verbrechen)
und
Ignorance and its Victims (Unwissenheit und ihre Opfer)
und weitere Beiträge für Forsters
Examiner.
Den größeren Teil des Sommers verbrachte er mit seiner Familie wieder in Broadstairs. Doch diesmal wurde der Urlaub von der

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