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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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Manchmal weist bereits die Kapitelüberschrift auf ihre Bedeutung hin, wie z.B. Kapitel XVI: «Was die Wellen immer sagen». Dombey liebt in seinem Sohn nicht das Kind, sondern die Investition, während er in seiner Tochter Florence eine Fehlinvestition, eine «wertlose Münze», sieht. Ihre Versuche, seine Liebe zu gewinnen, weist er kalt zurück. Als der kleine Paul die Liebeseiner Schwester erwidert, wird Dombeys Ablehnung der Tochter noch kälter; denn er spürt in ihr eine Kraft, die ihm den Sohn abspenstig macht. Schon nach einem Viertel des Romans stirbt der altkluge, von Geburt an schwächliche Junge im Alter von sechs Jahren, und zurück bleibt ein Vater, der den Verlust als eine tiefe Kränkung seines Stolzes empfindet. Dass Stolz im Mittelpunkt des Romans stehen sollte, hatte Dickens bereits vor Beginn seinem Freund Forster mitgeteilt.
    Umschlagbild von
Dombey and Son.
    Nach dem Tode des Sohns erlebt Dombey eine noch tiefere Kränkung, als er die schöne Witwe Edith heiratet, von der er erwartet, dass sie zu ihm wie zu einem Herrscher aufschaut. Doch er findet in ihr eine Frau, bei der ein gleich starker Stolz sich in Trotz verwandelt hat.Als schöne, gebildete, aber mittellose Frau war sie von ihrer Mutter unablässig dazu angehalten worden, wie ein Zirkuspferd ihre Fertigkeiten auf dem Heiratsmarkt vorzuführen. Sie fühlt sich von Dombey gekauft und lässt ihn dies mit selbstquälerischem Trotz von Anfang an spüren. Die einzige wärmere Empfindung, die sie in dem gruftartigen Haus entwickelt, ist ihre Zuneigung zu Florence. Diese wiederum erfährt menschliche Wärme nur außerhalb des väterlichen Hauses, wenn sie von ihrer Amme zu deren Familie mitgenommen wird. Auf einem dieser Ausflüge wird sie von «Good Mrs. Brown», so der ironische Name einer Diebin und Hehlerin, entführt und von Walter Gay, dem Neffen von Solomon Gills, gerettet und zu ihrem Vater zurückgebracht. Damit ist die Verbindung zur Gegensphäre hergestellt.
    Allerdings gelingt es Dickens hier noch nicht, das thematisch Intendierte in eine schlüssige Handlung zu übersetzen. So lässt er Walter Gay, der für Florence wie ein beschützender Bruder ist, Schiffbruch erleiden, so dass er einige Zeitlang für tot gehalten wird, bis er zurückkehrt und Florence heiratet. Dieser Schiffbruch entspricht formal den Regenerationserlebnissen im Wasser, die Dickens in seinen späteren Romanen zeigt, doch da Walter von Anfang an als ein offener, warmherziger und gutwilliger Junge gezeigt wird, besteht für ihn keine Notwendigkeit für ein solches Erlebnis. Allerdings hatte Dickens in ihm ursprünglich einen jener «treibenden» Charaktere zeigen wollen, die bei ihm später regelmäßig auftreten wie schon im nächsten Roman Steerforth, David Copperfields bewunderter Jugendfreund. In der ausgeführten Fassung ist aber nicht Walter Gay, sondern James Carker, der Generalmanager von Dombeys Firma, der Treibende. Er steht in der langen Reihe von moralisch haltlosen Zynikern, die sich durch Dickens Romane zieht. Als Edith den Entschluss fasst, Dombey zu verlassen, tut sie dies zusammen mit Carker. Doch sie gibt seinem Verführungsversuch nicht nach und erklärt ihm, sie habe ihn nur als Mittel benutzt, um Dombey in dem Glauben zu lassen, dass ein anderer ihm die Frau genommen habe. Eine solche Kränkung würde ihn tiefer treffen als der Verlust der Frau.
    Das detektivische Moment der verdrängten Vergangenheit tritt in dem Roman erst spät auf, als der Leser erfährt, dass Carker einmal eine Affäre mit einer gewissen Alice Brown hatte, die Edith auffallend ähnlich sieht. Es stellt sich heraus, dass Alice die Tochter von Good Mrs.Brown und eine Cousine von Edith ist. Carker hatte Alice vor Jahren verführt und dann fallengelassen, worauf diese zur Diebin wurde. Aus Rache hilft sie nun Dombey bei der Verfolgung seines Rivalen, die damit endet, dass dieser, als er Dombey auf einem Bahnhof sieht und vor ihm zurückweicht, von einem Zug erfasst und getötet wird.
    Auch die Eisenbahn hat in dem Roman eine wichtige symbolische Funktion. Sie steht für das neue Zeitalter der Industrie, das die alte Zeit der Kaufmannsherrlichkeit ablöst. Schon im 6. Kapitel führt Dickens das Motiv mit einer Eisenbahnbaustelle ein, die er so beschreibt, als habe ein Erdbeben die Stadt aufgebrochen. Was der Schiffbruch auf der Seite des Wassers, bedeutet die Eisenbahn auf der des Gefängnisses. Sie sprengt eine lebensfeindliche Verkrustung und kann damit lebensfördernd,

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