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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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aus, wie ich ein halbes Jahr oder länger an den unerreichbarsten Orten verbringe, um dort ein neues Buch zu beginnen. Mir geht die Idee durch den Kopf, in einem Schweizer Konvent oberhalb der Schneegrenze zu leben. […]
Ruhelosigkeit
wirst Du es nennen. Was immer es sein mag, es treibt mich an, und ich kann nichts dagegen tun. […] Wenn ich einmal neun oder zehn Wochen pausiert habe, ist mir, als sei es ein Jahr gewesen, selbst wenn ich vorher die seltsamsten nervösen Beschwerden hatte. Wenn ich dann nicht schnell und weit marschieren kann, ist mir, als würde ich explodieren und verenden.
    Vier Monate später, am 3. Februar 1855, schrieb er an Forster:
    Ich bin in einer durch und durch verwirrten Verfassung – Stäubchen von neuen Büchern sind in der schmutzigen Luft, Trübsal aus älteren Quellen bedrängt mich. Wie kommt es, dass, wie beim armen David, immer dann, wenn ich in schlechte Laune verfalle, in mir das Gefühl aufsteigt, das
eine
Glück meines Lebens verpasst zu haben, den
einen
Freund und Partner nie gefunden zu haben?
    Im Jahr darauf findet sich in dem Brief vom 13. April 1856 an Forster ein Bekenntnis, das durch die Erinnerung an seinen Freund Macready ausgelöst wurde, der sich in eine Art Einsiedelei zurückgezogen hatte:
    Es erfüllt mich mit Mitleid, wenn ich an ihn denke, dort an seinem einsamen Wohnsitz in Sherborne. Was mich betrifft, so hatte ich stets das Gefühl, so Gott will, einmal in den Sielen zu sterben, aber ich habe dieses Gefühl nie so stark, wie wenn ich ihn sehe oder an ihn denke. Wie sonderbar ist es, niemals zur Ruhe zu kommen, niemals zufrieden zu sein, und immer nach etwas zu suchen, was nie erreicht wird, und immer Plots und Pläne im Kopf zu haben, sichimmer zu kümmern und zu sorgen, und doch wie klar, dass es so sein muss, und dass man von einer unsichtbaren Macht vorangetrieben wird, bis die Reise zu Ende ist. Es ist besser weiterzumachen und sich aufzureiben, als aufzuhören und sich aufzugeben. Was Ruhe betrifft – es gibt Menschen, in deren Leben es so etwas nicht gibt. Das Ebengesagte klingt wie eine kleine Predigt. Aber es geht mir in diesen Tagen so oft durch den Kopf, dass es einmal heraus muss. Die alten Tage – die alten Tage! Werde ich jemals, so frage ich mich, die Gemütsverfassung wiedergewinnen, wie ich sie früher hatte? Vielleicht etwas davon, aber niemals ganz, so wie es war. Ich finde, dass sich das Skelett in meinem häuslichen Schrank zu einem ziemlich großen auswächst.
    Im Jahr darauf wird er das Skelett aus seinem häuslichen Schrank gänzlich herauslassen, wobei der Türöffner die Begegnung mit einer 18-jährigen Schauspielerin war, in die er sich im August 1857 verliebte. Schon wenige Tage später, vermutlich am 3. September, schrieb er an Forster:
    Die arme Catherine und ich sind nicht für einander geschaffen; und daran lässt sich nichts ändern. Es ist nicht nur, dass sie mich unzufrieden und unglücklich macht, ich mache das Gleiche bei ihr – und sogar noch viel mehr. Sie ist genauso, wie Du sie kennst, liebenswürdig und entgegenkommend; aber für den Bund, der uns verbindet, passen wir denkbar schlecht zusammen. Weiß Gott, sie wäre tausendmal glücklicher, wenn sie einen anderen Mann geheiratet hätte, und die Vermeidung dieses Schicksals wäre gleichermaßen gut für uns beide gewesen. Es schneidet mir oft ins Herz, wenn ich daran denke, wie jammerschade es um ihretwillen ist, dass ich ihr jemals über den Weg lief. Ich weiß, wie leid es ihr täte, wenn ich morgen krank oder hinfällig würde, und wie sehr es mich selbst bekümmert, dass wir einander verloren haben. Doch die gleiche Unverträglichkeit wäre im Moment meiner Genesung von neuem da.
    Doch bevor es zu der folgenschweren Begegnung mit seiner neuen Liebe kam, ging es für Dickens erst einmal darum, ein neues Romanprojekt in Angriff zu nehmen. Schon am 6. Februar 1855 hatte er an Miss Burdett-Coutts wie vorher bereits an Forster geschrieben: «Stäubchenneuer Geschichten schwirren vor meinen Augen in der schmutzigen Luft umher.» In einem Brief an Collins heißt es etwas später, dass er Unmengen von Papier mit Plänen und Notizen fülle, und im Mai meldete er Forster schließlich: «Um mich herum beginnt die Geschichte zu sprießen.» Ende Mai teilte er dem Verlag mit, dass er den neuen Roman für November 1855 ankündigen solle. Dass die Lebenskrise zugleich eine Schaffenskrise war, zeigt sich daran, dass er sich mit diesem Roman besonders schwer tat.

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