Charlie Chan macht weiter
hätten…«
»Ich habe ihn gehabt«, erinnerte ihn Duff.
»Ja – das stimmt. Aber bevor wir die Vergangenheit aus unseren Köpfen verdrängen – was ich übrigens für gut halte –, lassen Sie mich noch meine eigenen bescheidenen Worte des Lobes aussprechen. Ihre Arbeit an diesem Fall sollte als ein Beispiel…«
Duff unterbrach ihn. »Ich hatte Glück. Wie hat unser alter Chef, Sir Frederic Bruce, immer gesagt – harte Arbeit, Intelligenz und Glück. Und Glück ist der bei weitem entscheidendste Faktor.«
»Ah – ja, der arme Sir Frederic.«
»Ich habe heute abend schon mal an Sir Frederic gedacht«, fuhr Duff fort. »An ihn und an den chinesischen Detektiv, der seinen Mörder gefaßt hat.«
Hayley nickte. »Der Bursche aus Hawaii. Sergeant Chan war doch sein Name?«
»Charlie Chan – ja. Er ist jetzt Inspector, in Honolulu.«
»Sie haben von ihm gehört?«
»In großen Zeitabständen.« Duff zündete seine Pfeife an. »Trotzdem ich so beschäftigt bin, habe ich den Briefwechsel aufrechterhalten. Irgendwie kann ich Charlie einfach nicht vergessen. Vor ein paar Monaten habe ich ihm geschrieben und gefragt, was es Neues bei ihm gäbe.«
»Und er hat geantwortet?«
»Ja. Heute morgen kam sein Brief.« Duff fischte einen Brief aus einer seiner Taschen. »Offensichtlich scheint es nichts Neues zu geben«, fügte er lächelnd hinzu. Hayley lehnte sich zurück. »Lassen Sie trotzdem hören, was er schreibt.«
Duff holte zwei Bogen Papier aus dem Umschlag und entfaltete sie. Einen Moment lang starrte er auf die Zeilen, die in einem anderen Polizeirevier am anderen Ende der Welt getippt worden waren. Schließlich begann er, mit einer für einen Scotland-Yard-Inspector seltsam sanften Stimme und einem schwachen Lächeln um den Mund, zu lesen.
Verehrter, ehrenwerter Freund,
liebenswürdige Epistel von Ihnen beendete lange Reise nach angemessener Zeit und ließ glückliche Erinnerungen an Vergangenheit in unwürdigen Geist hineinschweben. Was bedeutet Reichtum? Machen Sie Liste von Freunden und Sie haben Antwort. Fühle mich überaus reich, wenn ich weiß, daß Sie in Ihrem ehrenwerten, beschäftigten Gehirn noch Platz für Gedanken an den höchst unwürdigen Charlie Chan haben.
Doch um Bild umzudrehen – ich habe Sie nicht vergessen. Werde es niemals. Entschuldigen Sie plumpe Bemerkung, welche ich gleich erklären will. Worte des Lobes, mit denen Sie mich einst überhäuften, leben fort im Gedächtnis, stets von einer kleinen Glut unziemlichen Stolzes geschürt.
Um zu der in Ihrem Brief gestellten Frage, Neuigkeiten bei mir betreffend, zu kommen – höchst bedauerlicher Weise muß ich mitteilen, es gibt absolut keine. Wasser tropft aus Dachrinnen in dieselben alten Löcher – was akkurat Leben beschreibt, wie es sich mir darstellt. Morde gibt es nicht im Überfluß in Honolulu. Doch der ruhige Mann ist der glückliche Mann, und ich bringe keine hitzige Beschwerde vor. Orientalen wissen, es gibt eine Zeit zum Fischen und eine Zeit zum Trocknen der Netze.
Aber vielleicht werde ich manchmal ein bißchen unruhig, weil die Netze so viel getrocknet werden. Warum ist das so? Kann es sein, daß orientalischer Charakter mir entschlüpft, weil ich so viele Jahre zwischen ruhelosen Amerikanern gelebt habe?
Ich gehe nicht sehr wichtigen Aufgaben mit verschlossener Miene nach. Doch kann es vorkommen, daß ich nachts auf der Veranda sitze und über die schlafende Stadt blicke, von dem seltsamen Wunsch befallen, Telefon möge schrillen und wichtige Botschaft bringen.
Ich freue mich, daß die Götter anderes Schicksal für Sie bereithalten. Oft sehe ich Sie in großer City vor mir. Ihre ausgezeichneten Talente dürfen nicht brachliegen wie stehendes Gewässer. Sicher schrillt viele Male das Telefon, und Sie ziehen aus auf die Jagd. Ich weiß im tiefsten Innern, daß der Erfolg immer lächelnd an Ihrer Seite spazieren wird. Habe das gespürt, als ich das große Privileg Ihrer Gesellschaft genoß. Chinesen, Sie wissen es, sind sehr empfänglich für übersinnliche Einflüsse.
Wie freundlich von Ihnen, Ihren großen Geist mit Frage nach meinen Kindern zu belasten. Um es kurz zu machen: es sind jetzt elf. Werde oft an weisen Mann erinnert, der gesagt hat: Ein Königreich zu regieren ist einfach, eine Familie zu regieren ist schwierig. Aber ich kämpfe mich voran.
Meine älteste Tochter Rose ist College-Studentin auf dem Festland. Als mir zum erstenmal Kosten amerikanischer Ausbildung bewußt wurden, kam mir
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