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Charlie + Leo

Charlie + Leo

Titel: Charlie + Leo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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knapp, Charlie Brown. Ja, ich weiß! Mach es, Charlie Brown. Okay, ich mach’s! Aber nur, weil sie es verdient hat und mir die Zeit fehlt, um mir etwas Harmloseres einfallen zu lassen. Und um Leo lachen zu sehen.
    Ich ziehe die Haarbürste aus Antoinettes Tasche und drücke mit dem Daumen leicht auf die Borsten. Ja, die sind ziemlich stark, das müsste gehen. Dann reiße ich ein Blatt aus Antoinettes Biologiebuch. Das ist normalerweise echt nicht meine Art, mit Schuleigentum umzugehen, aber ich habe es nun mal verdammt eilig. Ich ziehe Leos Tasche zu mir heran. Da ist sie, die Wurstel allen Übels. Ich versuche, das Blatt Papier darunterzuschieben, was zum Glück problemlos klappt. Ich hebe das Blatt Papier samt Wurst aus der Tasche und lege es vor mir auf den Boden. Es ist so weit. Rache für Leo! Ich schnappe mir die Haarbürste, halte sie direkt über die Wurst und drücke sie hinein. Hey, das funktioniert ja bestens!
    Ich betrachte kurz mein teuflisches Meisterwerk und grinse in mich hinein. Du bist ganz schön fies, Charlie Brown. Stimmt. Aber das muss auch mal erlaubt sein. Und es dient schließlich einem guten Zweck. Jetzt aber schnell ab damit in Antoinettes Tasche.
    Ich schließe beide Taschen und schiebe sie zurück an ihre Plätze. Und dann fühle ich zum ersten Mal eine tiefe Verbundenheit mit Antoinette, denn ich sehne mich unbändig nach einem Waschbecken.
    Als ich nach oben gehe, kommen mir bereits die Ersten aus unserer Klasse entgegen. Das war knapp. Was wäre wohl passiert, wenn sie mich mit der Haarbürste in der Hand auf dem Boden kniend entdeckt hätten? Wahrscheinlich hätten sie mich für einen völlig durchgeknallten Psychopathen gehalten und in die nächste geschlossene Anstalt eingeliefert.
    Als ich wieder zurückkomme, strömt die Klasse gerade in den Bioraum. Ich will auf jeden Fall einen Platz ganz hinten. Vielleicht lässt der Bauer mich dann dieses Jahr mal in Ruhe und nimmt mich nicht ständig dran, obwohl ich mich nicht melde. Hoffentlich.
    Ganz hinten links ist noch was frei, perfekt! Weiter weg kann ich von Bauer nicht sein. Ich setze mich. Okay, einen Nachteil hat dieser Platz dann doch. Von hier aus sehe ich Leo nur von hinten. Von schräg hinten, immerhin etwas. Sie sitzt drei Reihen vor mir ziemlich weit rechts neben Marie. Und sie hat keine Ahnung davon, dass ausgerechnet ein Charlie Brown sie durch seinen unerschrockenen und selbstlosen Einsatz vor einer sehr ekligen Erfahrung bewahrt hat.
    Die Tasche liegt vor ihr auf dem Pult. Sie öffnet sie und zieht ein schwarzes Mäppchen heraus. Sie schließt die Tasche wieder. Nein, doch nicht. Sie hebt den Stoff wieder an, beugt sich mit dem Kopf nach vorne und schnüffelt daran. Oh, fuck! Da wird doch wohl nicht noch ein Stück Wurst drin sein? Bitte nicht! Dann wäre ja alles umsonst gewesen! Aber was, wenn sie nicht nur ein sehr hübsches, sondern auch ein ebenso gutes Näschen hat?
    Ganz ruhig bleiben, Charlie Brown.
    Leo zieht ihren Kopf wieder zurück und stupst Marie mit dem Finger an. Sie schiebt Marie die Tasche entgegen und zeigt auf die Öffnung. Marie beugt sich zögerlich nach vorne und schnuppert daran. Sie zieht ihren Kopf wieder zurück und guckt komisch. Nein, da ist nichts, Marie! Das riecht nicht komisch! Auf keinen Fall!
    Sie beugt sich noch mal nach vorne, schnuppert erneut, zieht den Kopf wieder zurück un d … schüttelt ihn. Leo zuckt mit den Schultern, schließt ihre Tasche und legt sie neben sich auf den Boden.
    Uff! Danke, Marie! Du bist die Beste! Nun wird Leo nie erfahren, was sich da für ein paar Minuten in ihrer Tasche befunden hat.
    Moment mal. Mist. Wenn sie nie erfährt, dass eine Wurst in ihrer Tasche war, dann wird sie ja auch nie erfahren, dass ich sie davor gerettet habe. Was bringt mir das Ganze also eigentlich? Gar nichts.
    Okay, für einen Helden sollte nur die Heldentat an sich zählen und nicht die öffentliche Anerkennung dafür. Peter Parker lässt sich ja auch nicht öffentlich feiern, wenn er als Spiderman mal wieder eine unschuldige Frau vor ein paar Schurken gerettet hat. Darf ja auch niemand wissen, dass er Spiderman ist. Außer Mary Jane, seiner Freundin. Der hat er es irgendwann mal erzählt. Mir geht es auch nicht darum, dass die ganze Klasse mir gratuliert, weil ich eine Kackbombe aus Leos Tasche entfernt habe. Aber über ein klitzekleines Dankeschön von Leo würde ich mich schon freuen. Sehr freuen. Und ich glaube, ich habe auch schon eine Idee, wie ich es kriegen kan n

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