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Charlie + Leo

Charlie + Leo

Titel: Charlie + Leo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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nur einen kleinen Schlag getan, laut gebitzelt, kurz gequalmt und sämtliche Sicherungen sind rausgeflogen. Das hätte aber auch anders ausgehen können. Laut Statistik passieren im Haushalt ja die meisten Unfälle.

    Und in unserem mindestens doppelt so viele.
    Jedenfalls fing mein Tag nicht gerade gut an, und das hat sich auch nicht gebessert, als ich mit dem Rad aus der Haustür kam und es plötzlich angefangen hat, wie aus Eimern zu schütten. Als ich hier ankam, war ich so nass, dass man in meinen Klamotten die olympischen Schwimmwettbewerbe hätte austragen können.
    Das einzig Positive ist die Tatsache, dass Leo hier im Kunstraum nicht hinter, sondern schräg gegenüber von mir sitzt und ich sie so viel unauffälliger und öfter beobachten kann. Wobei das allerdings nicht ganz ungefährlich is t – sie hat mich schon zweimal fast dabei erwischt, aber ich konnte zum Glück gerade noch rechtzeitig weggucken, als ihr Blick in meine Richtung ging.
    Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich habe irgendwie das Gefühl, als würde sie sich die Leute in der Klasse heute genauer ansehen als sons t – vor allem die Jungs. Was im besten Fall daran liegen könnte, dass sie die Mails von gestern gekriegt hat und somit ahnt, dass der geheimnisvolle Zeichner sich in dieser Klasse befindet. Oh, fuck! Daran habe ich noch gar nicht gedacht! Leo darf auf keinen Fall mitkriegen, dass ich gut zeichnen kann. Sonst muss sie nicht mal eins und eins zusammenzählen, um darauf zu kommen, dass ich ihr anonymer Mailschreiber bin. Mann, zum Glück ist mir das jetzt noch rechtzeitig eingefallen.
    Also kein Wort über Comics. Ich habe mit Comics überhaupt nichts am Hut. Hören Sie, Frau Hensel-Tegtmeier? Charlie Braun steht kein bisschen auf Comics! Und zeichnen kann er schon gar nicht! Er ist quasi Ihr schlechtester Schüler, total untalentiert! Oh, Mann, hoffentlich verplappert die sich nicht, das wäre mein Untergang.
    »Außerdem werden wir im zweiten Halbjahr das Thema Farbenlehre ein wenig vertiefen«, fährt sie fort.
    Ja, super, noch so eine Sache, die ich schon ziemlich gut beherrsche. Äh, nein, natürlich nicht! Ich habe keine Ahnung von Farbenlehre! Was ist das überhaupt, Farbe? Kann man das essen?
    »Dann können Sie der Neuen gleich schon mal eine Sechs geben«, ertönt eine laute, weibliche Stimme. »Die kennt nämlich nur eine Farbe: Hässlichschwarz.«
    Prinzessin Paris, wer sonst? Und London und Wattenscheid kichern Beifall.
    »Ist Schwarz überhaupt eine Farbe?«, stichelt Antoinette weiter. »Falls ja, dann gehört sie verboten, finde ich. Und gewisse Leute, die sie tragen, auch.«
    »Schwarz ist eigentlich die Abwesenheit von Licht«, sagt Leo trocken. »So wie du die Abwesenheit von Intelligenz und Geschmack bist.«
    Antoinette schnappt empört nach Luft. Man sieht ihr förmlich an, wie sie verzweifelt nach einer Retourkutsche sucht.
    »Und d u … du bis t … du bist die Abwesenheit vo n … vo n …«
    »Hat zufällig irgendjemand ihren Wortschatz gesehen?«, wendet Leo sich an die Klasse. »Passt auf, dass ihr nicht aus Versehen drauftretet, er ist nämlich sehr klein.«
    »Von gutem Aussehen!«, schreit Antoinette hysterisch und springt von ihrem Stuhl auf. »Du bist die Abwesenheit von gutem Aussehen!«
    Wie jetzt? Das war alles? Mit dieser Retourkutsche gewinnt Antoinette ja nicht mal den Trostpreis beim Schneckenrennen.
    »Antoinette!«, fährt die Hensel-Tegtmeier sie an. »Was soll denn das? In meinem Unterricht wird nicht rumgeschrien! Wir sind doch hier nicht im Kindergarten! Setz dich sofort wieder hin und beruhig dich gefälligst!«
    »Aber die hat angefangen!«, kreischt Antoinette weiter. »Die blöde Schlampe!«
    »Noch ein Wort, und du kriegst einen saftigen Eintrag ins Klassenbuch!«, wird jetzt auch die Hensel-Tegtmeier laut. »Setz dich! Und ich will heute keinen Ton mehr von dir hören!«
    »Ja, abe r …«, bäumt sich Antoinette noch mal auf, während Leo sie cool angrinst.
    »Keinen Ton mehr, hab ich gesagt!«, zischt die Hensel-Tegtmeier energisch.
    Viola und Nicole schnappen Antoinette links und rechts an den Armen und ziehen sie zurück auf ihren Stuhl. Sie schnaubt wütend und zeigt Leo den Mittelfinger. Leo grinst nur cool und zeigt ihr gleich zwei davon.
    »Wo waren wir stehen geblieben?«, sammelt sich die Hensel-Tegtmeier wieder. »Ach ja, Farbenlehre. Es stimmt übrigens, dass Schwarz einerseits als Abwesenheit von Licht definiert wird. Andererseits bezeichnet man es in der Kunst

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