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Charlie + Leo

Charlie + Leo

Titel: Charlie + Leo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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    Antoinette sitzt zwei Reihen vor mir. Ihre Tasche steht neben ihr, ausgepackt hat sie noch nichts. So langsam quält mich doch das schlechte Gewissen. Nicht, dass ich Angst hätte, erwischt und dafür bestraft zu werden, da mache ich mir keine Sorgen. Einen Charlie Brown wird niemand verdächtigen, etwas derart Abartiges getan zu haben. Aber wenn ich mir vorstelle, wie Antoinette nichts ahnend nach ihrer Bürste greifen und damit durch ihre strahlend blonden Haare streichen wird, dann breitet sich ein deutlich mieses Gefühl in meiner Magengegend au s – natürlich völlig zu Recht. Vielleicht habe ich ja Glück und sie merkt es vorher.
    Wie oft am Tag bürsten sich Mädchen eigentlich die Haare? Gucken sie sich ihre Bürsten noch mal genau an, bevor sie sie benutzen? Wie reagieren Mädchen, wenn sie plötzlich Hundekacke in den Haaren haben? Ich hoffe aufrichtig, dass ich das nie herausfinden werde.
    Der Bio-Bauer hat mittlerweile an seinem Pult Platz genommen.
    »Guten Morgen!«, wendet er sich an uns und wir grüßen brav zurück. »Weiß denn schon jemand, welche Themen euch in diesem Schuljahr in Biologie erwarten?«
    Allgemeines Schulterzucken.
    »Nun gut«, sagt er. »Da es offenbar niemand für nötig gehalten hat, sich wenigstens ein bisschen vorzubereiten, werde ich euch jetzt die Themengebiete für dieses Schuljahr verkünden. Wir werden uns mit dem Wachstum von Pflanzen beschäftigen und in Verbindung damit das Prinzip der Fotosynthese durchleuchten. Haha! Durchleuchten, Fotosynthese, alter Biologenwitz! Am Ende des Schuljahres könnt ihr hoffentlich auch darüber lachen. Des Weiteren werden wir die Verdauung des menschlichen Körpers ein wenig unter die Lupe nehmen un d …«
    »Iiiiiiiiiiiiiiih!«, unterbricht ihn ein markerschütternder Aufschrei.
    Zwei weitere grelle Stimmen gesellen sich kreischend dazu.
    »Also jetzt stellt euch gefälligst nicht so an!«, versucht Bauer gegen die nicht enden wollenden Schreie anzubrüllen. »Die menschliche Verdauung ist ein ganz natürlicher und gesunder Vorgang! Davor muss man sich nun wirklich nicht ekeln!«
    Alle Köpfe drehen sich zu Antoinette, Viola und Nicole. Ach du Sc h …! Nein, nicht dieses Wort, das ist zu nah dran. Antoinette, Viola und Nicole schreien gemeinsam die Bürste an, die Antoinette hysterisch zitternd in der Hand hält. Offenbar gucken sich Mädchen ihre Bürsten nicht an, bevor sie sich damit durch die Haare fahren. Sie hat sie benutzt.
    Bauer steht auf und geht zu den Mädels, die beim Schreien nicht mal Luft zu holen scheinen.
    »Könnt ihr vielleicht mal damit aufhören?!«, fährt Bauer sie an. »Das ist ja nicht zum Aushalten!«
    Antoinette streckt ihm die Bürste entgegen. Er nimmt sie in die Hand, betrachtet sie forschend, führt sie an seine Nase und schnuppert daran. Dann hält er sie in die Luft und zeigt sie der Klasse.
    »Dies ist das Endprodukt eines Verdauungstraktes«, sagt er. »Vermutlich von einem Exemplar der Gattung Canidae. Weiß jemand, wovon ich hier spreche? Hm? Charlie?«
    Das darf doch echt nicht wahr sein! Immer ich! Und gerade jetzt. Aber diesmal kriegt er mich nicht dran, diesmal kenne ich die Antwor t – besser, als mir lieb ist.
    »Hundekacke?«, sage ich zögerlich, als ob ich es nicht genau wüsste.
    Ein Kichern geht durch die Klasse.
    »Gut geraten!«, sagt Bauer. »Zumindest mit Fäkalien scheinst du dich ja auszukennen.«
    Hey, was soll das denn heißen? Jetzt beleidigt er mich auch noch! Frechheit!
    Viola und Nicole haben mittlerweile aufgehört zu schreien, aber Antoinette kreischt munter weiter.
    »Jetzt beruhig dich doch«, stöhnt Bauer. »Ich kann mir ja vorstellen, dass das für ein junges Mädchen nicht unbedingt angenehm ist, aber sieh es doch mal so: Das ist nur Natur, ein Teil des Lebenskreislaufs, un d …«
    »Ich hab ihre Scheißnatur in den Haaren!«, kreischt sie hysterisch und fährt von ihrem Stuhl hoch.
    »Das ist noch lang kein Grund, mich anzuschreien«, brummt Bauer. »Weißt du denn, wer dir diesen zugegebenermaßen sehr geschmacklosen Streich gespielt hat?«
    Antoinettes Kopf schnellt in Richtung Leo. Ich kann ihre Augen zwar nicht sehen, bin mir aber sicher, dass ihr Blick locker nicht nur Leo, sondern die gesamte Schule töten könnte. Leo zuckt völlig zu Recht mit den Schultern, kann sich aber ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Ob das wirklich so eine gute Idee war? Ich meine, klar, Antoinette denkt sowieso, dass es Leo war, wer auch sonst? Aber nach diesem Grinsen

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