Charlotte
Er zog das NRC Handelsblad aus seinem Jackett, ließ die Zeitung jedoch auf dem Schoß liegen. Der Stuhl lud zu einem Nickerchen ein.
Eine Krankenschwester kam herein. »Sind Sie der Ehemann?« Sie hatte einen starken osteuropäischen Akzent. »Sie wird bald aufwachen. Der Arzt kommt auch gleich.« Sie kontrollierte die Infusion, hielt ein Thermometer in Maaikes Ohr und notierte ihre Temperatur auf einer Karte am Fußende des Bettes.
»Sie hat Durst«, sagte van Loon.
»Das kommt von der Narkose. Wir bringen ihr gleich Tee.«
Ein wenig später wurde er von einem Mann in einem weißen Arztkittel wachgerüttelt. »Meneer van Loon?«
»Ja.« Van Loon erhob sich aus dem Stuhl und reichte dem Arzt die Hand.
»Doktor Desmond. Wir haben heute Morgen eine Bauchspiegelung durchgeführt, es ist alles nach Wunsch verlaufen. Ihre Frau kann morgen früh nach Hause. Würden Sie einen Moment mit mir kommen?«
Maaike regte sich ein wenig. Einer der Infusionsbeutel war leer. Van Loon folgte dem Arzt hinaus auf den Flur. »Gibt es Grund zur Besorgnis?«
Desmond lächelte. »Ich rede einfach nicht gern in Anwesenheit einer Patientin, die gerade dabei ist aufzuwachen. Noch gibt es keinen Grund zur Beunruhigung, aber ihre Frau ist spät in die Wechseljahre gekommen und dann besteht immer eine leicht erhöhte Gefahr, an Gebärmutterkrebs zu erkranken. Meist sind die Geschwulste, die in der Gebärmutter entstehen, nicht bösartig, aber sie üben Druck auf die umliegenden Organe aus, auch das kann ihr Schmerzen bereiten.«
Van Loon hob die Hand, um den Arzt zu unterbrechen. Während seines Lebens mit Maaike hatte er eine tief sitzende Abneigung gegen alles entwickelt, was mit Krankheit zu tun hatte. »Ich glaube Ihnen aufs Wort«, sagte er. »Bitte beschränken Sie Ihre Erklärungen auf das Wesentliche.«
Der Arzt lächelte wieder. »Die wirksamste Maßnahme wäre, die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernen zu lassen. Der Eingriff ist nicht weiter kompliziert, und am besten lassen Sie ihn so bald wie möglich durchführen. Wenn Sie und Ihre Frau einverstanden sind, setzen wir sie sofort auf die Liste.«
»Ist die Warteliste lang?«
»Sie müsste innerhalb der nächsten zwei Wochen an die Reihe kommen. Ich werde gleich mit ihr darüber sprechen.«
Eine andere Schwester brachte Tee. Van Loon verabschiedete sich von dem Arzt und folgte ihr ins Krankenzimmer.
»Tag, Liebes«, sagte er. »Wie geht es dir?«
Maaike verzog das Gesicht. »Rückenschmerzen.«
»Das ist ganz normal«, sagte die Krankenschwester. »Hier ist Ihr Tee.« Sie stellte das Rückenteil des Bettes hoch und drehte das Tablett des Nachtschränkchens zu Maaike hin. Der Tee war in einer Plastikschnabeltasse und es gab eingeschweißte Plätzchen dazu. »Können Sie trinken?«
Maaike nickte. Van Loon setzte sich auf einen Hocker und führte Maaike den Becher an die Lippen. Sie nahm seine Hände und trank vorsichtig ein Schlückchen, dann noch eins.
Van Loon stellte den Becher wieder hin. Er kämpfte mit der Plastikfolie der Plätzchen und benutzte schließlich die Zähne. »Ich muss bald wieder gehen«, sagte er. »Wir haben französische Hoteliers zu Besuch und Otto braucht mich. Der Arzt kommt gleich zu dir. Man gibt dir auch etwas zum Schlafen. Morgen früh kannst du nach Hause.«
»Kommst du mich abholen?«
»Natürlich. Ich versuche, heute Abend noch einmal vorbeizuschauen.«
»Musst du nicht mit diesen Franzosen zu Abend essen?« Ihre Stimme klang neutral, aber der spitze Unterton war immer da.
Er hielt sich ein Hintertürchen offen. »Im Prinzip nicht.«
Hier konnte er nichts tun, nur dasitzen. Nachdem sie ihren Tee getrunken hatte, ertrug er es noch ein paar Minuten lang.
Die Dame im Clubhaus zeigte ihm, wo sich Runings Gesellschaft ungefähr befinden musste, und er spazierte über den kurz geschorenen Rasen dorthin. Das Wetter war schön warm, und van Loon zog sein Jackett aus, hakte den Zeigefinger in die Schlaufe und hängte es sich über die Schulter. Er sah eine Gruppe Japaner am letzten Abschlag. Die Franzosen befanden sich auf dem rechten Mittelfeld. Sonst war niemand auf dem Platz.
Van Loon überquerte das erste Fairway und folgte der dünnen Hecke. Die Franzosen standen am dritten Loch, zwei Männer mittleren Alters und eine Frau in einem taillierten violetten Kostüm. Er erkannte das verlebte Schauspielergesicht von Durieux. Die Frau zündete sich eine Zigarette an, und sie blieben stehen und unterhielten sich zu dritt, während
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