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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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ich.
    »Nein.« Jennifer zögerte nicht eine Sekunde.
    »Hat Ihr Vater sie erwähnt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wer ist Leonoor Brasma?«
    »Elisabeths Freundin. Sie wohnten schon in Utrecht zusammen, als Elisabeth noch bei Ihrem Vater arbeitete.«
    Sie riss die Augen auf. »Wollen Sie damit sagen, dass Elisabeth lesbisch war?«
    »Offenbar, oder zumindest bisexuell. Leonoor ist Charlottes zweite Mutter. Sie sind auf ein Hausboot in Oosterbeek gezogen, als Charlotte ein paar Monate alt war.«
    Ich erkannte, dass sie die Fassung verlor. »Davon hat mir mein Vater nichts erzählt«, sagte sie. »Das hat er garantiert nicht gewusst.«
    »Er hat van Loon erzählt, dass Elisabeth mit einer anderen Frau zusammenwohnte.«
    »Warum hätte er es mir verschweigen sollen?«, erwiderte sie trotzig und verletzt. Ich sah Runing zusammen mit Leonoor zum Rathaus gehen, Babyfotos machen, Geld zuschießen, aber Jennifer glaubte felsenfest an ihren Vater. »Vielleicht ist Leonoor die leibliche Mutter, und sie versuchen, das Kind meinem Vater unterzujubeln?«, spekulierte sie.
    Ich sah, dass sie den Gedanken schon wieder verwarf, noch bevor ich reagieren konnte, weil sie natürlich sofort begriff, dass ein einfacher Test ausgereicht hätte, um ihren Plan zunichte zu machen. »Was hat Ihr Vater Ihnen über Elisabeth erzählt?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Gedanken wieder geordnet hatte, und ich begriff, dass es ein taktischer Fehler gewesen war, Leonoor zu erwähnen, bevor ich Jennifer ausgehorcht hatte. Es fiel ihr schon schwer genug, über das außereheliche Verhältnis ihres Vaters reden zu müssen, und jetzt kam noch der Verdacht hinzu, dass er ihr etwas vorgelogen oder alles Mögliche verschwiegen hatte.
    »Otto sagte, ihr Verhältnis habe ein Jahr lang gedauert«, sagte sie schließlich. »Sie hielten es geheim, niemand wusste davon, außer Onkel Hennie. Mein Vater … Männer versprechen ja das Blaue vom Himmel herunter, um eine Frau ins Bett zu kriegen oder sie zu halten.«
    Es klang verbittert. »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, Scheidung, Heirat. Doch das hat er nie ernsthaft in Erwägung gezogen, und irgendwann wurde Elisabeth das klar. Deshalb kündigte sie und verschwand aus seinem Leben. Doch auch vorher kann sie nicht schwanger geworden sein.«
    »Nochmal: Warum sind Sie sich da so sicher?«
    Jetzt betraten wir ihr Fachgebiet als Medizinerin, und ihre Scheu verschwand. »Weil mein Vater gut aufgepasst hat. Sie nahm die Pille und zusätzlich benutzte er immer Kondome. Er wusste, dass sich Elisabeth ein Kind von ihm wünschte, und hatte Angst, sie könnte ihn vor vollendete Tatsachen stellen, indem sie schwanger würde. Nachdem sie die Firma verlassen hatte, hat er sie nie wiedergesehen, und das war gut ein Jahr vor Charlottes Geburt. Abgesehen von seinen Vorsichtsmaßnahmen kann es also auch von der Zeit her nicht stimmen. Schwangerschaften, die dreizehn Monate dauern, sind medizinisch unmöglich.«
    »Außer, sie dauerte ganz normal nur neun Monate lang«, entgegnete ich.
    Trotzig erwiderte sie meinen Blick. »Warum hätte er lügen sollen, wo er doch sowieso vorhatte, einen Vaterschaftstest durchführen zu lassen? Darüber haben wir auch geredet, dann wäre die Sache ein für alle Mal erledigt gewesen.« Wieder schüttelte sie den Kopf, als wolle sie aufkommende Zweifel verscheuchen. »Unser Gespräch war ganz anders«, sagte sie. »Mein Vater war hundertprozentig ehrlich.«
    »Wo haben sie sich getroffen?«
    »In Hotels.« Sie spitzte den Mund. »Ich war zwei Jahre alt, ich hatte natürlich keine Ahnung, aber bei seinem Beruf war es ganz normal, dass er viel unterwegs war und manchmal nachts nicht nach Hause kam.«
    »Haben sie auch in eigenen Hotels übernachtet?«
    »Nein, nie. Motels in Breda und Arnheim, er war äußerst vorsichtig. Als ihre Beziehung sich verschlechterte, wollte Elisabeth nachts lieber zurück nach Hause, deshalb verabredeten sie sich in Restaurants in Utrecht und gingen dann beide in getrennte Zimmer im Holiday Inn, die sie vorher reserviert hatte. Das Holiday Inn ist groß und anonym. Mein Vater sagte, sie seien nie Bekannten begegnet, jedenfalls nicht zusammen.«
    »Brachte er sie danach nach Hause?«
    »Sie kam immer mit dem eigenen Auto.«
    »Hat er Elisabeth manchmal in ihrer Wohnung besucht?«
    »Niemals. Sie wollte das nicht. Sie teilte die Wohnung mit einer Freundin … « Jennifer runzelte die Stirn. Sie sah jung und unerfahren aus, das Wort ›unberührt‹ ging mir durch den

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