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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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die mit ihrer schwarzen Bluse, der strengen Brille und dem energischen Kinn aussah wie eine unbeugsame Gouvernante. Der Überschrift zufolge war sie die neue CyberKriegerin.
    »Wir stehen in E-Mail-Kontakt. Sie entwickelt eine Methode, um Daten bis zum Erreichen ihres endgültigen Bestimmungsorts unlesbar zu machen«, sagte Nel.
    »Genau das meinte ich.«
    »Fortan schenke ich dir zu jedem Geburtstag ein einfaches, leicht verständliches Buch«, sagte Nel. »Und das mache ich so lange, bis du genug gelesen hast.«
    »Bis zu meinem Tod also.«
    »Sämtliche ungelesenen Exemplare kriegst du mit in den Sarg. Ich werde immer ägyptischer in diesen Dingen. Was ich nicht verstehe, ist, warum sie nicht einfach einen Vaterschaftstest durchführen lassen. Der würde weniger kosten als das Vermögen, das sie dir als was auch immer auf dein Konto überwiesen haben.«
    »Als Forfeit. Die Franzosen haben die Bürokratie erfunden und wir leben von diesen sonderbaren Irrwegen des menschlichen Geists.«
    »Ist das deine Antwort?«
    »Gewissermaßen.«
    »Heiliger Strohsack«, sagte Nel. Ihre grünen Augen wechselten regelmäßig den Farbton. Heute glichen sie weniger denen einer Sphinx als dem Meer rund um die norwegischen Lofoten, aber stets lag etwas Geheimnisvolles in ihnen. »Ich kann gut verstehen, dass diese Frau unbedingt wissen will, ob ihr Mann sie betrogen und ihr etwas vorgelogen hat. Schließlich bin ich selbst eine Frau.«
    »Weiß ich«, sagte ich. »Fang lieber nicht davon an. Ich weiß gar nicht, warum ich hier sitze und esse, wenn ich mit dir im Bett liegen könnte. Frauen wissen gar nicht, was sie mit einem versehentlich offen gelassenen Blusenknopf anrichten können. Ich bin eifersüchtig auf Hanna, ich könnte den ganzen Tag an deiner Brust liegen. Oder deinen Bauch anschauen, der durch ein Wunder der Natur wieder so straff und glatt ist wie Satin. Wie vorher eben.«
    »So, jetzt ist es aber gut.«
    »Also, jedenfalls hat Leonoor mir genau das Gegenteil von dem erzählt, was Runing sowohl seiner Frau als auch seinem besten Freund gegenüber behauptet hat. Dass er seiner Frau etwas vorlügt, kann ich mir vorstellen, aber van Loon hat immer von dem Verhältnis seines Chefs gewusst und es gibt nicht den geringsten Grund, warum Runing ihm nicht auch hätte beichten sollen, dass er die Frau weiterhin traf und mit ihr eine Tochter hatte.«
    »Das Dumme für die Frau und den Freund ist nur, dass die Papiere für Leonoors Version sprechen«, sagte Nel.
    »Hast du dich wieder irgendwo reingehackt?«
    »Das war doch gar nicht nötig, Dummerchen, das sind öffentlich zugängliche Informationen. Neben der Geburtsurkunde existiert auch eine Vaterschaftsanerkennung, ausgestellt vom Rathaus in Utrecht. Sie schicken mir Kopien davon zu. Das bedeutet, dass der Mann verschwiegen hat, dass er bereits verheiratet war, und das Standesamt versäumt hat, das zu überprüfen, obwohl man dort natürlich behauptet, die Verwaltung wäre hundertprozentig verlässlich. Aber mir ist schon klar, wie das passieren konnte. Heutzutage braucht man irgendwo in einem x-beliebigen Rathaus nur deinen Namen einzugeben und schon werden sämtliche Informationen über dich ausgespuckt. Vor zwanzig Jahren gab es diese Vernetzung noch nicht, und außerdem brauchte man bei einer Vaterschaftsanerkennung nur seinen Namen und seinen Beruf anzugeben.«
    »Dasselbe hat Leonoor auch gesagt.«
    »Ich meine nur, dass Runing keineswegs ein Unschuldslamm war. Wenn er dort gelogen hat, konnte er es auch seinem besten Freund gegenüber. Das Ganze ist doch absurd. Deine Klientin braucht nur einen Vaterschaftstest durchführen zu lassen, und dann weiß sie, dass ihr Mann sie betrogen hat. Dafür braucht sie dich doch nicht? Ein lächerlicher Auftrag.«
    »Aber der Einzige, den ich habe.«
    »Das ist auch so ein Punkt.« CyberNel nahm die Weinflasche, schenkte sich nach und fing an, sich aufzuregen. »Ich kann mich nicht erinnern, dass die Firma Winter & Co. früher jemals an nur einem einzigen Fall gearbeitet hat.«
    »Das ist eben das ruhige Landleben, dafür haben wir uns entschieden.«
    Ich sah, dass sie über das »wir« nachdachte.
    »Um mehr Aufträge zu bekommen, müssen wir zurück in die Stadt«, sagte ich.
    Darüber brauchte sie keine Sekunde lang nachzudenken. »Nicht für alles Geld der Welt«, sagte sie. »Das meine ich nicht. Zu zweit verdienen wir genug. Ich rege mich nur auf, weil du zu gut bist für die dämlichen Aufträge, die Meulendijk dir zuschanzt,

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