Charlotte
Arnold Faber. Ich habe ein dringendes Problem und würde Sie gerne sprechen, wenn es ginge, heute noch.«
»Worum handelt es sich?«
»Es geht um Ermittlungen in einem Fall, ich möchte das lieber nicht am Telefon besprechen. Es eilt sehr. Ein Kollege, Thom Niessen, hat Sie mir empfohlen.«
Der Name rutschte an die richtige Stelle in meiner Erinnerung, als ich gerade über die Vianenbrücke fuhr. »Rufen Sie von Amsterdam aus an?«
»Nein, die Kanzlei ist in Utrecht.«
Meine Suche nach Charlottes Patentante konnte noch ein bisschen warten. »Sie haben Glück, ich bin gerade auf dem Weg nach Utrecht«, sagte ich. »Ich kann in etwa zwanzig Minuten bei Ihnen sein.«
»Das wäre sehr gut.« Er gab mir die Adresse und unterbrach die Verbindung.
Ich zog hinüber auf die langsamere rechte Spur und fuhr hinter einem Lkw her am Panorama von Nieuwegein entlang, während ich mein Notizbuch aus dem Handschuhfach fischte und die Nummer von Niessen heraussuchte. Er war in einer Besprechung und es kostete mich einige Mühe, seine Sekretärin zu bewegen, ihn dort herauszuholen.
»Max«, hörte ich ihn kurz darauf sagen. »Wie geht’s dir?«
»Das wollte ich dich gerade fragen«, antwortete ich. »Hast du die Kanzlei schon in der Tasche?«
Er lachte. »Der alte Louis leitet noch immer die Konferenzen und war nicht gerade erfreut über die Unterbrechung. Ich bin inzwischen erster Teilhaber, Tommy geht in die erste Klasse und Louise ist schwanger. Uns geht es also prima. Könntest du es kurz machen?«
»Okay. Wer ist Arnold Faber? Er sagte, du hättest ihm meine Nummer gegeben.«
»Stimmt. Früher hättest du seinen Namen auf unserem Türschild lesen können, in kleinen Buchstaben. Du hast ihn auf unserem Hochzeitsempfang kennen gelernt, er war der sportliche Friese mit dem blonden Bürstenschnitt, mit weniger grauen Haaren, als nach zwanzig Jahren Anwaltsdasein zu erwarten. Er ist nach Utrecht gegangen.«
»Aus Konkurrenzgründen?«
Wieder lachte Niessen. »Na ja, seine Chancen, die Kanzlei zu übernehmen, sind durch meine Heirat mit der Erbin nicht gerade besser geworden. Faber hat das ohne Groll akzeptiert. Wir haben ihn nicht gerne gehen lassen, er war unser bester Strafverteidiger.«
»Warum will er mich sprechen?«
»Ich glaube, weil er, wie wir alle hier, weiß, wie du damals den Mord an Tommys Mutter aufgeklärt hast. Faber ist in Ordnung, du könntest es schlechter treffen.«
Ich schlug die alte Ringstraße in Richtung Berekuil ein und verließ sie am Bahnhof. Der Wilhelminapark schien sich kaum verändert zu haben, ebenso wenig wie die schicke Rechtsanwaltskanzlei, in der ich damals eine halbe Stunde bei alten Zeitschriften antichambriert hatte, bevor ich zu Julius Brinkman vorgelassen wurde. Jetzt tauchte eine eifrige Sekretärin auf, sobald ich in der Eingangshalle erschien. Sie fragte, ob ich einen Kaffee wolle, und brachte mich unverzüglich ins Büro von Arnold Faber.
Als ich ihn sah, erinnerte ich mich wieder an ihn, wir hatten Segelerfahrungen auf dem friesischen Meer ausgetauscht. Er war, wie Niessen ihn beschrieben hatte, ein sportlicher Nordholländer mit hellblauen Augen in einem quadratischen Gesicht. »Es geht um einen Mandanten, sein Prozess beginnt in zehn Tagen, daher die Eile. Ich hoffe, Sie sind nicht ausgebucht, sonst muss ich mir jemand anderen suchen.«
Ich machte es mir in einem der beiden Sessel vor seinem Schreibtisch bequem und sagte: »Ich könnte schon noch etwas dazwischenschieben.«
»Ich meine mich zu erinnern, dass wir uns auf dem Hochzeitsempfang geduzt haben. In Ordnung?«
Ich nickte. »Gefällt es dir hier, nach Amsterdam?«
Faber lächelte. »Dies ist eine alteingesessene Kanzlei, wir arbeiten hauptsächlich für Firmen und vertreten die Interessen wohlhabender Privatmandanten. Der einzige echte Strafverteidiger ist letztes Jahr verunglückt, und Brinkman erfuhr, dass ich Vredeling verlassen wollte.« Er zögerte einen Moment und sagte schließlich: »Thom Niessen ist ein guter Jurist und er hat die Tochter des Chefs abgekriegt. Ich kann es ihm nicht verübeln.«
Normalerweise sind Rechtsanwälte wahre Meister darin, um den heißen Brei herumzureden, und seine Aufrichtigkeit gefiel mir. »Ist Julius Brinkman noch immer beruflich aktiv?«
»Nicht offiziell, aber er ist genauso ein Pitbull wie Vredeling, er wird wohl dabeibleiben, bis er tot umfällt. Mein Vorteil ist, dass er keine Tochter hat, und im Übrigen auch keinen Sohn.« Wieder lächelte Faber. »Wenn ich
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