Charlotte
als Assistenzärzte wollen wir beide zwei Jahre für Ärzte ohne Grenzen arbeiten und anschließend zusammen eine Praxis eröffnen.«
Es war klar, wer für die Planung zuständig war. »Ein interessantes Programm. Für eine eigene Praxis braucht man viel Kapital, nicht wahr?«
Sie wusste, worauf ich anspielte. »Wenn mein Vater noch lebte, würden wir uns das Geld von ihm leihen und es nach und nach zurückzahlen.«
Dank des Erbes brauchte sie sich nun aber nichts zu leihen. Ich lächelte Jennifer an. Sie schien zu den selten gewordenen jungen Leuten zu gehören, die mit einer angenehmen Dosis Übermut ihre Zukunft planten und bereit waren, hart dafür zu arbeiten. »Sollen wir dann zuerst mal unser Gespräch hinter uns bringen?«
Sie nickte sachlich. Nel kündigte an, uns alle mit Kaffee zu versorgen, und installierte George mit einer Zeitung auf der Terrasse. Ich brachte Jennifer ins Wohnzimmer, nahm einen Notizblock vom Schreibtisch und führte sie zum Ecksofa vor dem Kamin und dem hohen Seitenfenster. Sie setzte sich mit dem Rücken zum Fenster, von wo aus sie den Raum überblicken konnte.
»Ein schönes Haus«, sagte sie.
»Das hier war früher der Stall. Mein Beileid übrigens noch nachträglich zum Tod Ihres Vaters. Es muss ein harter Schlag für Sie gewesen sein.«
Einen Augenblick wirkte sie angespannt. »Es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass er nicht mehr da ist.«
»Ich untersuche nur diese Forderung und weiß wenig über den Mord, außer dass angeblich Rache das Motiv war.«
»Mein Vater war ein guter Mensch und ein ehrlicher Geschäftsmann. Wenn Sie ihn gekannt hätten, könnten Sie das bestätigen.«
»Sagen Sie ruhig Max zu mir.«
»Wenn es Sie nicht stört, würde ich lieber bei Meneer Winter bleiben.« Alles an ihr strahlte Entschiedenheit aus.
»In Ordnung. Sind Sie Charlotte mal begegnet?«
»Nur das eine Mal, als sie so aus heiterem Himmel hereinschneite.«
»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihr?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Sie war aufgeregt. Ein nettes Mädchen, ich glaube, ziemlich naiv. Ich war überrascht, als ich von ihrer Forderung erfuhr.«
»Warum?«
Erneutes Achselzucken. »Sie kam mir nicht vor wie ein habgieriges Weib, obwohl ich mir sofort dachte, dass sie nicht so ohne weiteres gekommen war, sondern hoffte, dass mein Vater ihr helfen würde. Sie sah recht ärmlich aus. Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
»Die Papiere sind echt, und es gibt sogar eine Urkunde über eine Vaterschaftsanerkennung. Der gesunde Menschenverstand sagt einem: Lasst einen Vaterschaftstest durchführen, dann wisst ihr, woran ihr seid. Das würde Geld und Umstände sparen. Für mich ist es ein ziemlich sonderbarer Auftrag.«
»Es liegt an meiner Mutter«, antwortete Jennifer. »Sie möchte keinen Vaterschaftstest durchführen lassen. Mein Vater hat ihr geschworen, dass das Mädchen nicht seine Tochter ist. Einem Gentest zuzustimmen wäre für sie gleichbedeutend damit, offiziell zuzugeben, dass sie dem Wort ihres Mannes nicht traute. Meine Eltern führten eine gute Ehe.«
»Aber Ihre Mutter ist doch Psychologin. Sie kennt sich aus mit unterbewussten Regungen, toten Winkeln, Geheimnissen, der menschlichen Natur.«
Jennifer nickte. »Eben darum. Es ist ihr Beruf, sie vertraut auf ihre Intuition, sie kannte ihren Mann. Ich glaube übrigens auch, dass er die Wahrheit gesagt hat. Dieses Mädchen kann nicht seine Tochter sein. Es ist biologisch unmöglich.«
»Warum sind Sie sich da so sicher?«
»Er hat es mir noch am selben Abend erklärt. Wir beide waren allein, Heleen war mit Lily nach Bilthoven gefahren. Meinem Vater ging es schlecht, er fühlte sich im Stich gelassen und hatte das Bedürfnis, sich auszusprechen. Ich glaube auch, dass es für ihn leichter war, es mir anstatt meiner Mutter zu erklären. Vielleicht hoffte er, dass ich es ihr beibringen würde.«
»Und, haben Sie das getan?«
Jennifer spitzte die Lippen. »Ja, allerdings weniger detailliert.«
Nel brachte uns Kaffee. Jennifer folgte ihr mit den Blicken, als sie hinausging, Hanna aus Corries Armen nahm und sie in ihren Kinderwagen unter den Birnbäumen schlafen legte. Corrie schlich verstohlen in die Küche, als hoffe sie, dass der junge Doktor ihr nicht auch noch das Auskochen von Babyfläschchen erklärte. George saß mit einem gediegenen Aktenkoffer neben sich in meinem Stuhl auf der Terrasse und blätterte in Abhandlungen über Tropenkrankheiten.
»Sagt Ihnen der Name Leonoor Brasma etwas?«, fragte
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