Charlotte
annimmst. Ich akzeptiere deine Bedingungen im Voraus, mein Mandant bezahlt. Aber du musst dich der Sache fulltime widmen, und wenn du erst die Akten studieren willst und lange darüber nachdenken musst, suche ich mir jemand anderen, dann ist schon das hier Zeitverschwendung.«
Testamentsangelegenheiten sind dafür bekannt, dass sie sich jahrelang hinziehen können. Eine Woche mehr oder weniger würde wenig ausmachen. »Ich kann aber für nichts garantieren«, sagte ich.
»Ich wäre schon froh über ein Papier, aus dem hervorgeht, dass die Waffe an irgendeinen Hehler in Amsterdam verkauft wurde, oder über einen Zeugen, der ihn zu Hause in der Badewanne hat sitzen sehen.« Faber zog eine Schublade auf und schob mir eine graue Mappe zu. »Das hier ist alles, was ich habe, polizeiliche Vernehmungen, Autopsiebericht, Zeugenaussagen. Die Sache ist vertraulich und es darf nichts aus diesen vier Wänden hinausdringen. Du kannst die Akten hier nebenan einsehen und dir Notizen machen. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft; falls du ihn außerhalb der Besuchszeiten sehen willst, muss ich mitkommen. Sein Name ist Stef Molenaar.«
Ich erkannte den Zusammenhang nicht sofort, weil mutmaßliche Täter in den Medien nur mit ihren Initialen genannt werden. »Und wen soll er ermordet haben?«
»Den Generaldirektor einer Hotelkette, Otto Runing. Der hat damals das Hotel von Molenaars Mutter gekauft … «
Ich starrte ihn einen Augenblick lang perplex an.
»Hast du ein Problem damit?«
Ich nickte. »Ich arbeite bereits für die Witwe des Ermordeten.«
Er sah mich überrascht an. »Im Zusammenhang mit dem Mord?«, fragte er.
»Nein, es geht um eine Erbteilforderung.«
Ich gab ihm eine kurze Zusammenfassung und Faber seufzte erleichtert. »Ich würde mir darüber keine Gedanken machen, diese beiden Fälle haben nichts miteinander zu tun. Ich sehe da juristisch überhaupt keinen Konflikt.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Klientin begeistert sein wird.«
»Du bist durch deine eigenen Regeln abgesichert – Schutz der Privatsphäre deiner Klienten. Du brauchst ihr nicht einmal zu erzählen, dass du nebenbei noch an etwas anderem arbeitest. Übrigens haben wir bei uns in der Kanzlei Erbrechtsspezialisten, sag Bescheid, wenn du etwas wissen willst.« Mit hochgezogener Augenbraue wiederholt er die Frage, die ich inzwischen bereits ein Dutzend Mal gehört hatte: »Aber warum lassen die nicht einfach einen Vaterschaftstest durchführen?«
»Frag einen Psychologen.«
Er grinste und deutete auf die Akte. »Okay?«
»Dann zeig mir mal das Zimmer.«
Er brachte mich über schallschluckende Läufer und schneeweißen Marmor zu einem Konferenzzimmer und ließ mich allein. Ich saß eine Weile am Kopfende eines antiken Konferenztischs und schaute mich um. Die Lehnstühle waren mit hellbraunem Leder bezogen, das dank winziger Risse und glänzenden Kupferpolsternieten vornehm verlebt aussah. Zu jedem Stuhl gehörte eine eigene, in Leder gefasste Schreibauflage und eine Bronzeleselampe, die man nicht einzuschalten brauchte, weil die Sonne zwischen den kardinalroten Gardinen der hohen Fenster hindurchschien. Julius Brinkman hing an einer Wand zwischen weiteren ernsten Porträts. Links und rechts neben der Tür standen antike Schränke voller Bücher, die älter und gelehrter aussahen als die Bücher bei mir zu Hause. Ich dachte daran, dass ich auch Rechtsanwalt hätte werden können, und fing an, in der Mappe zu blättern.
8
Am Eingang zu dem Gelände stand ein gelber Bauwagen. Kettensägen übertönten den Verkehr auf der Tangente. Dicke Buchen waren gefällt worden. Rauchwolken stiegen von zwei Stellen auf, an denen grüne Zweige, Koniferen und Rosensträucher verbrannt wurden. Ein Kran hob entastete Stämme auf einen Stapel neben der ehemaligen Einfahrt. Männer in blauen Overalls und mit gelben Schutzhelmen bauten aus Stahlrohren und Maschendraht auf Rollen einen drei Meter hohen Zaun auf. In der Mitte der einen halben Hektar großen ehemaligen Grünanlage fristeten Löwenzahn und Brennnesseln ein kurzfristiges Dasein auf dem Rechteck aus Schutt und Fundamentresten, wo vor einiger Zeit das Hotel Fuga abgerissen worden war.
Ich brauchte nicht lange zu warten, bis ein kleiner grauhaariger Mann einen alten Schäferhund mit einem Ruck an der Leine zum Stehen brachte. »Habe ich mit Ihnen telefoniert?«
»Max Winter.«
Er reichte mir die Hand. »Goverts. Ich dachte, dass wir uns am besten hier unterhalten sollten, dann sehen
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