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Charlottes Traumpferd

Charlottes Traumpferd

Titel: Charlottes Traumpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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anderes in der Abstellkammer: Ordentlich zusammengefaltet lag dort meine graue Reithose auf den Stiefeln, obenauf die Kappe. Mama hatte alles heimlich mitgenommen und ich hatte es nicht bemerkt!
    Ich lief zurück zum Frühstückstisch.
    Â»Oh, Mama, du bist ein Schatz!«, jubelte ich und fiel ihr um den Hals.
    Â»Ich habe mir gedacht, dass du hier vielleicht wieder auf den Geschmack kommst«, sagte sie und zwinkerte mir zu. Und wirklich: Tausenddreihundert Kilometer vom Reitstall entfernt war die Trauer um Gento und die Enttäuschung über den verpassten Lehrgang beinahe verschwunden.
    Nach dem Frühstück fuhr Papa mit mir zum Reiterhof, der hier »Club Hippique« genannt wurde. Er lag am Ortsrand von Noirmoutier-en-l’Île, das wusste ich noch vom letzten Jahr, als ich meine Eltern vergeblich angebettelt hatte, wenigstens ein Mal reiten zu dürfen.
    Wir parkten vor einem flachen weißen Gebäude, an dem ein Schild mit der Aufschrift »Bureau« angebracht war. Die Einrichtung war schlicht und bestand aus einem klapprigen Blechschreibtisch, auf dem allerdings ein ziemlich moderner Computer stand, zwei Stühlen, einem verstaubten Radio und einem Automaten mit gekühlten Getränken, der leise vor sich hin surrte. An der Wand hing eine große, vergilbte Karte der Insel. Nach ein paar Minuten kam eine zierliche schwarzhaarige Frau in Reithosen durch den Paddock, hinter dem die Stallungen lagen. Mein Herz klopfte bis zum Hals.
    Â»Bonjour«, begrüßte sie uns. »Ich bin Véronique Juneau. Mein Mann und ich leiten den Club.«
    Â»Meine Tochter würde gerne bei Ihnen reiten«, sagte Papa in fließendem Französisch, nachdem er uns vorgestellt hatte.
    Â»Kein Problem.« Véronique lächelte mir zu und setztesich hinter den Schreibtisch. Sie klappte den Laptop auf und wollte wissen, wie lange ich schon reite.
    Â»Drei Jahre«, erwiderte ich. »Machen Sie auch Ausritte an den Strand von Luzéronde?«
    Die junge Frau nickte. »Das sind dann die Zwei-Stunden-Ausritte. Morgens um acht und abends um sechs. Bei den Ein-Stunden-Ritten bleiben wir hier in der Gegend oder reiten in die Marais salants, die Salzsümpfe auf der anderen Seite der Straße.«
    Â»Wir nehmen eine Zehnerkarte für die Zwei-Stunden-Ausritte«, sagte Papa zu meiner Freude.
    Véronique zog ein Anmeldeformular aus der Schreibtischschublade, trug meinen Namen, den ich ihr buchstabierte, in das Formular ein, dazu die Handynummer meiner Eltern. Papa zückte seine Brieftasche und reichte ihr das Geld.
    Â»Merci.« Véronique lächelte und steckte die Scheine in eine Geldkassette, dann wandte sie sich an mich. »Möchtest du die Pferde sehen?«
    Ich nickte begeistert. Nichts lieber als das. Ich litt schon unter heftigen Entzugserscheinungen.
    Papa und ich folgten der Reitlehrerin durch den großen Paddock, in dem zwei kleine Hindernisse standen. Im trockenen Gras sah man deutlich den Kreis, wo sie die Pferde longierten.
    Â»Eigentlich haben wir einen Stall in der Nähe von Paris«, erklärte Véronique. »Aber im Sommer mieten wir gerne etwas am Meer, damit unsere Pferde sich erholen können.«
    Die weiß getünchten Stallungen waren u-förmig gebaut,in der Mitte befand sich ein großer, sandiger Platz. Alle Boxen hatten Türen, deren obere Hälften aufgeklappt waren, sodass die Pferde hinausgucken konnten. Ein schmaler Durchgang führte zum Misthaufen und einer Scheune, in der Heu und Stroh lagerten, außerdem gab es einen betonierten Waschplatz mit einem Schlauch. Ein älterer Mann, mit einem von Wind und Wetter zerfurchten Gesicht, war damit beschäftigt, eine leere Box auszumisten, und zwinkerte mir freundlich zu.
    Â»Wir haben sieben Pferde für Touristen«, sagte Véronique in dem Moment, als die Gruppe Reiter, die ich beim Frühstück gesehen hatte, von ihrem Morgenritt zurückkam. »Dazu noch unsere Nachwuchspferde und die Rennpferde. Aber die werden nicht vermietet.«
    Wenig später waren wir umringt von den Pferden und ihren Reitern. Papa brachte sich respektvoll am Rand des Hofes in Sicherheit, aber ich blieb stehen und sah einiges, was meine Vorfreude auf den ersten Ausritt ein wenig dämpfte. Keines der Pferde trug ein Martingal, einen Hilfszügel, so wie ich das von zu Hause gewöhnt war. Die Sättel sahen auch ganz anders aus: flach und ohne bequeme Kniepauschen. Aber als ich

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