Charlottes Traumpferd
mit«, sagte Véronique.
»Salut, Charlotte«, begrüÃte Nicolas mich freundlich. »Du möchtest deine Ferien also lieber hier als am Strand verbringen?«
»Hm, ja.« Ich wurde rot.
Der Junge musterte mich herablassend von Kopf bis FuÃ. »Schön blöd.« Er blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wandte sich gelangweilt wieder ab. Das dunkle Haar fiel ihm immer wieder in die Augen, die so blau waren wie die von Nicolas. War das etwa der Sohn von Nicolas und Véronique? Er sah ziemlich gut aus und schien das leider nur allzu genau zu wissen.
»Du machst hier doch sowieso keinen Finger krumm«, sagte das Mädchen zu ihm, dann grinste sie mir zu. »Ich bin Sophie und das ist mein Bruder Thierry.«
»Mein Neffe und meine Nichte«, ergänzte Nicolas und ergriff ein Halfter. »Lasst uns nach dem neuen Pferd schauen.«
»Da bin ich ja mal gespannt«, sagte Sophie. »Ich hab es gestern Abend nur kurz beim Abladen gesehen.«
Sophie war zierlich und hübsch. Sie hatte glatte dunkle Haare und braune Augen und trug ein gelbes Top und Shorts, keine besonders praktische Kleidung für einen Pferdestall.
Nicolas ging zu einer der Boxen und redete mit dem Pferd, das darin untergebracht war. Nach einer Weile öffnete er die Tür. Sekunden später hörten wir ihn fluchen, dann schoss auch schon ein braunes Pferd wie ein Pfeil aus der Box und galoppierte direkt auf uns zu. Thierry sprang ihm in den Weg und wedelte mit den Armen, doch das Pferd hielt unbeirrt auf ihn zu.
»Merde!«, schrie der Junge und brachte sich mit einem Satz hinter ein paar Strohballen in Sicherheit.
Ich stand wie angewurzelt da und starrte das Pferd sprachlos an. Gento! Doch bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass es nur die Farbe mit meinem Gento gemeinsam hatte. Es rollte wild mit den Augen, die Ohren waren flach angelegt. Das Pferd sah richtig gefährlich aus. Voller Panik galoppierte es im Hof herum, bis es das offen stehende Tor des Paddocks entdeckte und hineinstürmte. Es wieherte und trabte aufgeregt an der gegenüberliegenden Seite des Zaunes auf und ab.
Véronique schloss rasch das Gatter und wandte sich Nicolas zu, der mit schmerzverzerrtem Gesicht aus der Box kam.
»So ein Teufel!« Er rieb sich den Arm. »Er hat nach mir geschnappt, als ich ihm das Halfter anlegen wollte.«
»Seltsam. Gestern kam er mir ganz friedlich vor.« Véronique schien ratlos.
Nicolas trat an den Zaun des Paddocks und betrachtete das Pferd. »Es muss ja einen Grund geben, weshalb wir ihn so billig bekommen haben«, sagte er nachdenklich. »Wahrscheinlich hatten sie ihm eine Beruhigungsspritze gegeben.«
Das Pferd hatte sich etwas beruhigt. Es war stehen geblieben und wandte uns sein Hinterteil zu. Doch mit einem Auge beobachtete es uns aufmerksam. Alle Muskeln waren angespannt, es war jederzeit bereit zur Flucht oder zum Angriff.
»Wie heiÃt er?«, fragte ich Nicolas.
»Laut Papieren heiÃt er Diabolo du Manoir.« Der Reitlehrer zündete sich eine Zigarette an. »Aber der Name gefällt mir nicht.«
»Dabei passt er«, bemerkte Thierry. »Das ist doch ein Teufel, du hast es eben selbst gesagt.«
»Unsinn«, widersprach sein Onkel. »Das Pferd ist sechs Jahre alt und nicht bösartig, sondern nur durcheinander. Als ich ihn im Juni bei einem Bekannten im Stall gesehen habe, hat er mir gleich gefallen. Er hat eine groÃartige Abstammung: Sein Vater ist Quidam de Revel, sein Muttervater Grand Veneur.«
Thierry pfiff anerkennend durch die Zähne.
»Dann muss ja irgendwas mit ihm nicht stimmen. Sonst hättest du ihn nie bekommen.«
»Vielleicht hat man ihn geschlagen oder schlecht behandelt«, überlegte Sophie laut und legte die Arme auf die oberste Latte des Zaunes. »Er hat Angst vor uns.«
Ich mochte das braune Pferd auf Anhieb. Es hatte das gleiche kastanienbraune Fell wie Gento, die schwarzen,schlanken Beine und den gleichen prächtigen schwarzen Schweif. Allerdings war es recht mager und ungepflegt, die Mähne war viel zu lang und fiel auf beide Seiten des Halses. Ãber den groÃen dunklen Augen zeigte sich ein schmaler weiÃer Rand.
»Was wirst du tun, Onkel Nicolas?«, erkundigte sich Thierry und kam hinter den Strohballen hervor. »Sollen wir es in den Stall treiben?«
Nicolas schüttelte den Kopf. »Wir lassen ihn in Ruhe. Vielleicht lässt er sich
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