Charlottes Traumpferd
ja einfangen, wenn er merkt, dass ihm niemand etwas tut.«
Aber das braune Pferd lieà sich nicht anfassen und schon gar nicht einfangen. Jedes Mal, wenn jemand in seine Nähe kam, geriet es in Panik. SchlieÃlich gab Nicolas auf, weil er befürchtete, der Braune könne in seiner Angst versuchen, über den ein Meter fünfzig hohen Holzzaun zu springen.
»Dabei würde er sich die Beine brechen«, sagte er. »Kommt, es gibt genug anderes zu tun.«
Nachdem Nicolas beschlossen hatte, das verstörte Pferd vorerst allein zu lassen, damit es sich beruhigte, ritten er und Véronique mit einer Gruppe davon. Ich wollte mich nützlich machen und putzte gemeinsam mit Sophie und Cécile Berge von schmutzigem Sattelzeug. Dabei saÃen wir in der Sonne und ich erfuhr, dass der Vater von Sophie und Thierry Galopprennpferde trainierte und einen Rennstall am Bois de Boulogne in der Nähe von Paris unterhielt.
Mittags unternahm Véronique einen weiteren Ausritt mit vier Touristinnen. Da sie nicht durch den Paddock reiten konnten, nahmen sie den Weg entlang der Kartoffeläckeran der Rückseite des Stalles. Sophie und Thierry fuhren mit dem Moped zum Plage des Dames, einem Strand bei Noirmoutier-en-lâÃle. Dort hatten sie sich mit ein paar Freunden verabredet. Sophie hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte mitzukommen, aber ich hatte dankend abgelehnt. Mit ihr alleine wäre ich vielleicht gefahren, doch auf die Gesellschaft ihres arroganten Bruders konnte ich verzichten. Mein älterer Bruder zu Hause reichte mir.
Cécile hatte in der Küche neben dem Büro den Tisch gedeckt. Als Véronique vom Ausritt zurückkehrte und wir die Pferde versorgt hatten, gab es Mittagessen. Ich wollte gerade mein Fahrrad nehmen und nach Hause fahren, als mich Nicolas zurückhielt.
»Cécile hat für dich mitgedeckt«, sagte er. »Wer bei uns arbeitet, muss auch mit uns essen.«
Dabei grinste er und zwinkerte mir zu.
Ich wurde vor Freude rot, wie immer, denn eigentlich war ich hinter meiner groÃen Klappe ziemlich schüchtern.
Wir aÃen Ratatouille mit Salat und Baguette dazu, anschlieÃend gab es Käse. Ich war erstaunt, als Véronique erzählte, sie seien das erste Mal auf Noirmoutier. Normalerweise verbrachten sie den Sommer in der Normandie, aber dort hatten sie in diesem Jahr keinen Stall mehr pachten können. Eher aus Zufall waren sie hier gelandet und die Ausritte mit den Touristen brachten gerade so viel Geld ein, dass sie ihre Kosten deckten. Nicolas und Véronique warenziemlich überrascht, dass ich schon zum zehnten Mal auf Noirmoutier war und die Insel weitaus besser kannte als sie selbst.
Um drei Uhr kamen wieder Reiter. Ich putzte und sattelte den groÃen Gosse dâIrlande und Lucky Luke, den Schecken. Als Véronique mit den sechs Reitern aufgebrochen war, nahm ich mir eine Schubkarre und begann die Boxen auszumisten. Ich malte mir in Gedanken aus, wie schön es sein musste, einen eigenen Stall und Pferde zu besitzen. Den ganzen Tag mit Pferden arbeiten, keine Schule mehr, keine Hausaufgaben â¦
»He, petite.« Der kleine, etwa fünfzigjährige Mann, den ich gestern schon gesehen hatte, stand plötzlich vor der Tür von Jonquilles Box. »Du machst das richtig gut.«
»Ãh ⦠danke«, stotterte ich verwirrt und wischte mir mit dem Unterarm den Schweià von der Stirn.
»Ich bin Rémy«, stellte sich der Mann vor. »Und wer bist du?«
»Charlotte«, erwiderte ich. »Ich bin mit meiner Familie im Urlaub auf Noirmoutier. Wir kommen aus Deutschland.«
»Aha, Urlaub.« Der Mann grinste breit. »Und warum mistest du dann Pferdeställe aus?«
»Weil es mir mehr Spaà macht, als am Strand zu sein«, entgegnete ich.
»He, Nicolas!« Rémy wandte sich an den Reitlehrer, der gerade auf den Stall zukam. »Die Kleine hier ist richtig verrückt. Mistet im Urlaub lieber Pferdeboxen aus, statt am Strand zu liegen! So was!«
»Aber das musst du doch nicht machen, Charlotte«, sagte Nicolas.
»Ich machâs aber gern.« Energisch warf ich eine Gabel mitnassem Mist in die Schubkarre. Im Reitstall daheim hatte ich Gentos Box oft selbst ausgemistet. Nicolas und Véronique schienen es hingegen mit dem Misten nicht so genau zu nehmen, denn die Pferde standen ganz schön im Dreck.
»Deutsche Gründlichkeit«, amüsierte sich Rémy. »Du
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