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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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an, dass es mir einige Türen öffnen wird.«
    »Es könnte Ihnen noch sehr viel mehr öffnen«, sagte Quirrenbach. »Die Tore der Hölle zum Beispiel. Mir ist eben etwas eingefallen. Oben im parkenden Schwarm erwähnte jemand, dass hier einige ziemlich üble Substanzen im Umlauf wären.« Er deutete mit einem Nicken auf die roten Ampullen. »Eine davon kursiert unter dem Namen Traumfeuer.«
    »Und das könnte es sein?«
    »Keine Ahnung, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass gerade unser lieber Freund Vadim mit so etwas handelt.«
    »Wo sollte er es her haben?«
    »Ich bin kein Fachmann, Tanner. Ich weiß nur, dass das Zeug sehr unangenehme Nebenwirkungen hat, und dass die Obrigkeit, so weit in diesem System davon die Rede sein kann, es nicht gern sieht, wenn jemand es konsumiert oder auch nur besitzt.«
    »Aber für irgendetwas muss es doch gut sein?«
    »Sicher – aber was die Leute damit machen, weiß ich auch nicht so genau. Das Instrument ist übrigens eine Hochzeitswaffe.«
    Er hatte meine verständnislose Miene richtig gedeutet.
    »Früher war es hier üblich, dass Mann und Frau auf irgendeine Weise aktives Neuralgewebe austauschten, das aus dem Gehirn des jeweils anderen gezüchtet worden war. Mit diesem Ding – der Hochzeitswaffe – implantierten sie sich das Material.«
    »Heute tut man das nicht mehr?«
    »Nicht mehr seit der Seuche, glaube ich.« Sein Blick verriet Wehmut. »Eigentlich gibt es eine ganze Menge alter Bräuche, die mit der Seuche verschwunden sind.«
 
    Als Quirrenbach mit seiner Beute abgezogen war – um hoffentlich über die nächsten Passagen in seinem Symphonienzyklus nachzudenken –, trat ich an Vadims Netzwerkkonsole. In diesem Moment zündete die Strelnikov kurz ihre Schubdüsen, um eine winzige Korrektur der Flugbahn zum Rostgürtel vorzunehmen, und ich spürte zum ersten Mal seit dem Start wieder mein Gewicht. Von irgendwoher war ein leises Saurierwimmern zu hören, das Schiff ächzte in allen Fugen, und ich fragte mich unwillkürlich, ob ich womöglich genau den Flug erwischt hatte, bei dem der Rumpf endgültig unter der Belastung zusammenbrechen würde. Doch irgendwann verschmolz das Quietschen und Knarren mit den normalen Betriebsgeräuschen, und ich konnte mich wieder auf mein Vorhaben konzentrieren.
    Die Konsole sah uralt aus, in einem Museum hätten die Kinder darüber gelacht. Der Flachbildschirm war von Schaltelementen mit abgegriffenen Symbolen umgeben, darunter befand sich eine alphanumerische Tastatur. Ich kannte den Stand der Technik im Orbit um Yellowstone nicht, aber das hier wäre selbst auf Sky’s Edge eine Antiquität gewesen. Es gab nichts Besseres.
    Ich fand den Einschaltknopf. Der Bildschirm sprang an, stotterte sich durch eine Serie von Meldungen und Werbespots und zeigte endlich ein stark verästeltes Baumdiagramm mit den verfügbaren Optionen. Bord-Datendienste. Netze mit Realzeitzugriff – alle Datenarchive im Umkreis von nicht mehr als einer Lichtsekunde von der Strelnikov, sodass normale Gespräche möglich waren. Systemweiter Zugriff mit den typischen Verzögerungen im Bereich von Sekunden bis zu zehn oder zwanzig Stunden, je nach der Komplexität der Anfrage. Ich fand keine Option für den Zugriff auf Netze mit längeren Reaktionszeiten, und das war nur vernünftig: von den Habitats im Kuiper-Gürtel des Systems konnte eine Antwort erst eingehen, wenn das Shuttleboot seinen Flug beendet und der Fragesteller das Schiff längst verlassen hatte.
    Ich wählte die Option systemweiter Zugriff und wartete ein paar Sekunden. Zunächst füllte sich der Bildschirm erneut mit Werbung. Dann erschien ein Verzeichnis von Untermenüs. In der Liste ankommender und abfliegender Raumschiffe fand sich auch ein Eintrag für die Orvieto. Das Yellowstone-System war nach wie vor ein wichtiger interstellarer Verkehrsknotenpunkt, und auch das leuchtete ein. Wenn die Seuche erst im letzten Jahrzehnt ausgebrochen war, mussten viele Schiffe bereits auf dem Weg hierher gewesen sein. Bis die Nachricht von der Katastrophe alle wichtigen Zentren des von Menschen besiedelten Weltraums erreicht hatte, würden noch Jahrzehnte vergehen.
    Ich überflog die Optionen.
    Die systemweiten Netze waren zuständig für Verbindungen zu den Habitats im Orbit um die Gasriesen: zumeist Bergwerkskolonien und Außenposten gesellschaftlicher Gruppen, die auf Abgeschiedenheit Wert legten. Ich fand Synthetiker-Nester, Enklaven der Raumpiraten und halbautomatische militärische Anlagen oder

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