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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Körper zurück, schenkte ihm noch einen Blick, der ihre volle Entschlossenheit zum Ausdruck brachte, und stellte sich wieder in die Party, stellte sich wieder neben ihren Mann, lächelte und plauderte, wie man es von ihr erwartete, während der Professor immer mürrischer wurde und das neue Buch eines Kollegen durch den Kakao zog, was die Anwesenden ausgesprochen reizend fanden.
    Ran verließ die Villa, setzte sich in ein Taxi, sank zurück, vollkommen desinteressiert an dem Umweg, den der Fahrer jetzt vorschlug.
    »Machen Sie, was Sie wollen«, sagte Ran.
    Die Frage, warum er nicht versucht hatte, seine Unschuld zu behaupten, stellte sich ihm nicht. Denn natürlich wäre das sinnlos gewesen. Die Art, wie der Finger auf ihn gerichtet gewesen war, hatte ihm von Anfang an klargemacht, daß er der letzte in diesem Spiel war, dem man ein Recht auf Unschuld zugestehen würde. Er mußte froh sein, daß man ihm die Chance gab, die Schweinerei zu beseitigen, die er nicht verursacht hatte (an der er aber schuld war).
     
    Zu Hause legte er sich in die Badewanne. Sein Körper fühlte sich schlecht an, wie mißlungenes Kartoffelpüree, harte Stücke im Brei. In seinem Kopf konnten sich diverse Blasmusikkapellen und die Hardrocker von AC/DC auf keine gemeinsame Komposition einigen. Ran ging unter. Sein höchst eingeschränkter Lebenswille, sein alter, aber niemals eingestandener Wunsch, lieber den Toten als den Lebenden anzugehören, und nicht zuletzt die Auswirkungen mehrerer Gläser mittelmäßigen Whiskys führten dazu, daß Ran beinahe vergaß, wieder aufzutauchen.
    Es war eigentlich ein Geräusch aus seinem Magen (der – wie bei Mägen häufig der Fall – die allgemeine Selbstaufgabe nicht mitbekommen hatte), welches Ran daran erinnerte, wieder aufzutauchen. Er ließ das erkaltete Wasser aus, blieb aber in der Wanne, duschte, damit das Kartoffelpüree in seinem Körper wieder eine erträgliche Temperatur annahm. Er hatte den Duschkopf zwischen seine Oberschenkel gepreßt und sah sich auf der silbergrauen Plastikoberfläche wie in einem Spiegel. Sein Schädel war durch die Form und Wölbung des Duschkopfs ein wenig in die Länge gezogen, ohne unnatürlich zu wirken.
    »Hallo Ranulph«, sprach er sein Duschkopfgesicht an, »was ist bloß schiefgegangen. So schlecht fand ich das Leben bisher gar nicht. Manchmal sogar großartig.«
    Das Gesicht auf dem Duschkopf bewegte die Lippen naturgemäß synchron mit denen Rans, aber der Blick verriet, daß es sich beim besten Willen an nichts erinnern konnte, was die Bezeichnung »großartig« verdiente.
    Wesentlich erschreckender als dieser spöttische Zug in Rans Spiegelbild war der Umstand, daß nun hinter seinem Spiegelbildgesicht, etwas kleiner, weil weiter hinten im Raum, das Gesicht einer Frau auftauchte. Sie lachte tonlos, aber ein Ton war auch gar nicht nötig, damit Ran dieses noch nie gesehene, aber bereits zweimal gehörte Lachen wiedererkannte.
     
    Die Badewanne ist ein so gefährlicher Ort wie das Bett, weshalb es nicht verwundert, daß in Kriminalgeschichten wie auch im wirklichen Kriminalleben die Leute mit Vorliebe in Betten und Badewannen umgebracht werden, wo das Opfer hilflos ist (nicht selten durch Nacktheit), aber nicht ganz ohne Würde (wie etwa auf der Toilette, wo immer seltener Verbrechen verübt werden).
    Das Kartoffelpüree kochte, wie man sich vorstellen kann. Nicht vor Wut, sondern vor Angst.
    Ran hielt den Duschkopf etwas höher, um die Frau besser sehen zu können. Glücklicherweise vergaß er dabei, sich selbst zu betrachten; der Anblick der eigenen angstvollen Visage hätte ihm nicht gerade geholfen. Was er sah, das waren ihre langen braunen Haare, ein eher schmales Gesicht (was vielleicht nur auf den Duschkopf zurückzuführen war), stark geschminkte Augen, schwarz und klebrig. Aber vor allem nahm er ihr Lachen wahr, den nur leicht geöffneten Mund. Ihr Lachen war gewaltig auch ohne Ton und Grimasse. Er erkannte ihre Freude darüber, seine Hilflosigkeit zu betrachten – darum tauchte sie ja gerade dann auf, wenn er im Bett lag oder in der Badewanne, gerade einer Ohnmacht entkommen, müde, kraftlos, nackt, umfassend nackt.
    Und sich dieser umfassenden Nacktheit schmerzlich bewußt, war er endlich bereit, auch einmal einen kleinen Beitrag zu leisten, ließ den Duschkopf fallen, schwang sich aus der Wanne und griff nach einem Handtuch, um sein Geschlecht zu bedecken. Mein Gott, er war ein Mann, fuhr es ihm durch den Schädel, kein Boxer oder

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