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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
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ein Trompetenstoß. Der Führer hob die Waffe und schoss seinem treuesten Gefährten und Gehilfen ins Gesicht. Seinem wichtigsten Berater, dem letzten Rest seiner Verantwortung und seines Gewissens. Der kleine Pfeil durchschlug den Knochen an der Nasenwurzel und zündete eine winzige Hohlladung. Blut und Gehirn bespritzte die daneben Stehenden. Keiner wich zurück, keiner zuckte zusammen. Nur Chiara erstarrte vor Entsetzen. Der Tote fiel nach hinten. Eine Blutlache bildete sich um seinen Kopf. Niemand achtete darauf. Der Wächter stand ein wenig im Hintergrund und unterschied sich in nichts von den anderen. Das zählte nicht zu seinen Aufgaben.
    „Ich werde zusehen“, sagte der Führer ruhig.
    Er steckte die Waffe ein und verließ den Raum. Wieder wechselte der Ort.
    Sie befanden sich in einigen Kilometern Entfernung von einer sehr großen Stadt auf einem der Höhenzüge, die sie umrahmten. Chiara kannte ihren Namen, ohne zu wissen woher: Toranal. Es war früher Morgen. Etwas Riesiges, Drohendes, Dunkles schwebte hoch über der Stadt. Sehr hoch und dennoch auch aus der Entfernung noch riesengroß wie ein Gebirge. Es war ein Gebirge. Was taten die Bewohner der Metropole des Südens? Flüchteten sie? Dachten sie an eine vom hellen Morgenhimmel umrahmte schwarze Wolke? Eine Wolke, so dicht, dass sie keinen Lichtschimmer durchließ? Das Gebirge stieg rasch immer höher. Und immer noch blieb es riesengroß. Dann senkte der Führer mit einer raschen Bewegung seinen Arm. Viele Millionen Tonnen Fels stürzten herab und zermalmten die Stadt zu Staub. Die Erschütterung entfachte gewaltige Kräfte. Gebäude, die nicht direkt getroffen wurden, fielen zusammen wie Kartenhäuser. Der gesamte Kessel von Toranal wurde binnen Sekunden zum Trümmerfeld und Massengrab. Das Tal verschwand. Staub und Donner stiegen auf. Selbst der Führer auf seinem entfernten Beobachtungsposten fiel hin wie eine kleine Spielfigur, wenn das Spielfeld kippt.
    Noch weit verheerender wirkten sich die indirekten Folgen des Schlags aus. Chiara wusste – wiederum ohne zu wissen warum – dass vor ihnen gewarnt worden war, seit es die Waffe gab. Vergebens. Durch den gewaltigen, wahnsinnigen Eingriff geriet der Energiehaushalt einer Insel, halb so groß wie Irland, völlig aus dem Gleichgewicht. Die Folgen mussten unbeherrschbar sein, die Erde selbst in Aufruhr. Eine Serie schwerster Beben, die nicht zwischen Freund und Feind unterschieden, vernichtete binnen kurzem alle Zeugnisse der ältesten Zivilisation der Erde. Alte und neue Vulkane brachen aus und spalteten Berge und Täler. Dann kam der Moment, in dem unzählige Kubikhektar Meerwasser in bodenlose, glühende Klüfte stürzten. Als der Sturmwind den Rauch und Ruß der gigantischen Explosionen verweht hatte, gab es kein Land mehr. Ozean bedeckte den Boden, auf dem der Führer gestorben war – von seinem sterbenden Volk mit bloßen Händen in Stücke gerissen. Zu spät. Und Chiara sah und wusste alles!
    Riesige Flutwellen verbreiteten die Kunde der Katastrophe an den Küsten der Welt. In der Erinnerung der Menschheit hinterließen sie für Jahrtausende die schrecklichen Grüße von Glanz und Untergang des Reichs. Für alle Zeiten sind sie als Sintflut und älteste aller Sagen in unser kollektives Gedächtnis eingegangen. Kommentarlos gespeichert wie jede Information seit dem Beginn.
    Mit einem Ruck hob Chiara den Kopf und starrte verständnislos auf die Worte ‚uac olhnz ub’.
    Hatte sie eben den Untergang von Atlantis und die Sintflut miterlebt? Wohl kaum. Aber warum träumte sie nur solche Dinge?

27___
    Nachdem er Chiara bis vor die Haustür begleitet hatte, kehrte Antonio in seine Wohnung zurück. Da lag das Ding, harmlos, stumm, grau. Schön geformt wie eine Designstudie von Pininfarina. Viele Italiener haben von Natur ein gutes Auge für Formen. Antonio zählte zu ihnen. Auch deshalb zog ihn sein Fund an. Er schien geradezu einzigartig geformt. Perfekt.
    ‚Katapult des Teufels’. Antonio wollte es nicht zugeben, aber sowohl der Name als auch Chiaras Erzählung hatten ihn erschreckt. Es störte ihn zudem, dass die Bezeichnung überhaupt nicht zur Form passte. Er würde eine neue finden. Aber zuerst musste er herausbekommen, was das Ding wirklich konnte. Womöglich gar nichts mehr. Allein dass es nach dreihundert Jahren noch leuchtete, mutete wie ein Wunder an.
    Er hatte bereits entdeckt, dass verschiedene Berührungen unterschiedliche Lichtzeichen verursachten. Aber darüber hinaus tat sich

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