Chicagoland Vampires: Für eine Handvoll Bisse (German Edition)
gewaltige Skulptur Picassos in die Nacht hinausstarrte. Der Stahl glänzte rostrot im Scheinwerferlicht und wirkte auf mich wie ein robotergesteuertes Insekt. Dahinter standen drei hohe Fahnenmasten, deren Flaggen für die Nacht bereits heruntergeholt worden waren.
Während wir den Platz überquerten, fühlte ich mich plötzlich ganz klein: eine kleine, ohnmächtige Vampirin inmitten eines riesigen, menschlichen Imperiums, dem an meinem Überleben nicht viel lag.
»Alles in Ordnung?«, fragte Jeff.
Ich nickte. »Alles bestens. Ich bin bloß nervös.«
»Ich kann mit nach oben kommen, wenn du willst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist besser, wenn du hierbleibst. Er soll nicht den Eindruck bekommen, dass wir ihn in die Ecke treiben wollen, und ich will dich nicht in seine Schusslinie bringen. Es wird schon. Mein Hirn meldet sich bestimmt wieder, sobald ich sein Büro betreten habe.« Das musste es auch, denn McKetrick hatte mir einige Fragen zu beantworten, und nun war der falsche Zeitpunkt, die Mimose zu spielen.
Meine Nerven lagen blank, als ich in Jeffs Begleitung die marmorlastige Eingangshalle betrat und an den verschiedenen Huldigungen Richard Daleys vorbei zum Empfang ging. Ein Mann und eine Frau mit ordentlich frisierten Haaren und Security-Abzeichen an ihrer Kleidung sahen zu uns auf.
»Mein Name ist Merit«, sagte ich. »Ich habe einen Termin bei John McKetrick in der Koordinierungsstelle für menschliche Belange.«
Sollte ihnen mein Name bekannt vorgekommen sein, so schien es sie zumindest nicht zu kümmern. Der Mann las die Etage aus einer Liste ab und zeigte mir dann, wo es zu den Metalldetektoren, Röntgengeräten und Sicherheitsschleusen ging.
Es war eine gute Idee gewesen, meine Waffen nicht mitzunehmen.
Jeff und ich gingen hinüber, und er drückte kurz beruhigend meine Hand. »Du schaffst das.«
Ich nickte. »Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, dann solltest du Verstärkung holen.«
Er lachte leise und sah mich mit einer überraschend großspurigen Miene an. »Merit, wenn du in einer halben Stunde nicht zurück bist, dann hole ich dich eigenhändig da raus.«
»Sie haben Waffen«, ermahnte ich ihn, aber er lächelte nur.
»Ich bin ein Formwandler.«
Da mein Plan B nun auch vorhanden war, atmete ich tief durch und durchlief die Sicherheitsabsperrungen.
McKetricks Büro befand sich im dritten Stock zwischen einem Mitarbeiterbüro der Bürgermeisterin und einem Gerichtssaal für Verkehrsdelikte.
Auf der Bürotür waren sein Name und seine Funktion in Blattgoldbuchstaben angebracht worden. Ich wollte das Glas mit einem Schlüssel bearbeiten, um die Buchstaben abzukratzen, schaffte es aber, mich zusammenzureißen.
Der Nebeneffekt dieses Anblicks, dass meine Furcht sich in Zorn verwandelte, freute mich umso mehr. Mit Zorn konnte ich wesentlich besser umgehen.
Hinter dieser Tür erwarteten mich ein leerer Empfangsschalter und eine weitere, diesmal offen stehende Tür. Ich ging hindurch und sah McKetrick vor mir, der mit einem Kaffeebecher in der Hand am Fenster stand und auf den dunklen Platz hinabblickte.
Er sah zu mir herüber und lächelte flüchtig. Die Narben in seinem Gesicht sahen in echt noch viel abstoßender aus als im Fernsehen. Seine Haut schien an manchen Stellen unnatürlich straff gespannt und an anderen hauchdünn. Es bestand kein Zweifel, dass sie ihm Schmerzen bereiteten.
»Merit. Wie nett von dir, vorbeizuschauen und mir alles Gute zu wünschen.«
Ich sah mich gelangweilt im Büro um. »Hier hat dich Bürgermeisterin Kowalcyzk also untergebracht - in einem eigenen, kleinen Büro, hinter der Maske der Legitimität.«
»Ich habe nur lautere Absichten«, erwiderte er. »Im Gegensatz zu anderen.«
»Ich bin ordentlich registriert«, versicherte ich ihm. »Ich kann dir gerne meinen Ausweis zeigen, wenn du möchtest.«
Er ging lächelnd zu seinem Schreibtisch hinüber und nahm Platz. Den Schlagabtausch genoss er sichtlich.
»Weißt du, was dein Problem ist, Merit? Du glaubst, du bist besser als wir alle. Ich weiß, was ihr Vampire denkt - dass ihr ein evolutionärer Fortschritt seid, eine genetische Mutation. Aber ein Vampir zu sein heißt nicht, etwas Besonderes zu sein. Es macht euch zu einer Landplage.« Er verschränkte die Hände auf seinem Schreibtisch und beugte sich vor. »Und es ist meine Aufgabe, diese Stadt von dieser bestimmten Art des Ungeziefers zu befreien.«
»Du bist einfach nur ein Rassist.«
»Ich bin ein Mann mit einem Mitarbeiterstab,
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