Chicagoland Vampires
Ethan. »Man hat uns unserer Vergehen angeklagt. Jetzt werden wir sehen, ob sie sie uns auch wirklich anhängen können.« Er stand auf und ging durch den Raum zu der Bar, die in eins der Bücherregale integriert war. Er öffnete eine der Vitrinen, holte eine Flasche heraus, drehte die Kappe ab und goss sich zwei Finger hoch davon in ein niedriges Glas.
Er nahm einen Schluck und sah dann zu mir hinüber. »Etwas zu trinken?«
Ich trat neben ihn an die Bar. »Was hast du da?«
»Vierzig Jahre alten Scotch.«
Ich pfiff leise. Der konnte nicht gerade günstig gewesen sein, und es war vermutlich kein gutes Zeichen für das Haus, dass er sich ein Glas gönnte.
Ethan zeigte seine Angst nicht oft. Dass er sich darüber Sorgen machte, was das Greenwich Presidium tun könnte, verursachte ein flaues Gefühl in meiner Magengegend. Er sollte für dieses Haus der Fels in der Brandung sein; ein Fels durfte nicht nervös werden.
»Nein, danke«, sagte ich, verschränkte meine Arme und lehnte mich gegen die Vitrine. »Was jetzt?«
»Planung für den Fall der Fälle«, sagte er mit finsterer Stimme. »Wir haben einige Notfallpläne vorgesehen, und wenn das Haus nicht mehr dem Greenwich Presidium unterstehen soll, dann werden wir sie möglichst schnell umsetzen müssen. Malik und ich werden sie ausarbeiten.«
»Das Greenwich Presidium hat uns in letzter Zeit keinen Gefallen getan. Wäre es so schlecht, wenn wir draußen sind?«
Er gab mir keine Antwort und wich meinem Blick aus.
Also war es schlimmer, als ich dachte. »Sag es mir.«
Er nahm einen weiteren Schluck. »Die allgemeine Philosophie des Greenwich Presidium lautet: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns.«
»Das ergibt keinen Sinn. Es gibt Abtrünnige in Chicago. Ich habe noch nie von Noah gehört, dass sie vom Greenwich Presidium schikaniert worden wären.«
Noah Beck war der inoffizielle Anführer jener Vampire in Chicago, die sich keinem der Häuser angeschlossen hatten. Er war außerdem Mitglied der Roten Garde, genau wie Jonah und ich.
»Im Augenblick haben wir lediglich einen Kalten Krieg«, sagte Ethan. »Das Greenwich Presidium geht davon aus, dass die Abtrünnigen die Häuser zu sabotieren versuchen; die Abtrünnigen sehen die Häuser nur als Mittel zum Zweck, um die faschistischen Tendenzen des Greenwich Presidium durchzusetzen. Der momentane Frieden entspricht nicht der üblichen Lage.«
»Das Greenwich Presidium würde uns tatsächlich angreifen?«
»Wenn die Situation es erfordert, ja. Sowohl das Greenwich Presidium als auch die Häuser, die seiner Führung unterstehen.«
»Selbst Haus Sheridan? Du hast Lacey Sheridan zur Meisterin gemacht. Sie stammt aus Haus Cadogan, und zum Zeichen unseres Bündnisses hängen ihre Insignien über unserer Eingangstür.« Außerdem war Lacey Sheridan bis über beide Ohren in Ethan verknallt – wenn nicht noch schlimmer –, was es recht unwahrscheinlich erscheinen ließ, dass sie gegen ihn zu den Waffen greifen würde.
Mit dem Glas in der Hand ging Ethan zu einem der Klubsessel im Sitzbereich und lehnte sich an ihn. »Hast du dich niemals gefragt, warum wir die Insignien anderer Häuser für uns beanspruchen, wenn wir doch alle Mitglied des Greenwich Presidium sind? Es ist ein Versprechen, im Falle des Falles nicht zu den Waffen zu greifen – außer das Greenwich Presidium befiehlt ihnen genau das.
»Ach du meine Güte«, sagte ich und lehnte mich an den Sessel neben ihn. Kein Wunder, dass sich Jonah der Roten Garde angeschlossen hatte.
Ethan leerte sein Glas. »Es gab uns Vampire schon lange, bevor das Greenwich Presidium ins Leben gerufen wurde, und es wird uns auch noch geben, wenn es schon lange nicht mehr existiert. Wir werden überleben. Vielleicht müssen wir aber einige unserer Brüder und Schwestern in den anderen Häusern daran erinnern.«
Und einige würden schwerer zu überzeugen sein als andere. »Morgan wird ein Albtraum sein.«
»Sehr wahrscheinlich. Scott Grey weniger.«
Scotts Leute noch weniger, wenn man bedachte, dass ein Mitglied der Roten Garde der Hauptmann seiner Wache war. Aber das musste Ethan nicht gerade jetzt erfahren.
»Vielleicht sollten wir das Greenwich Presidium mit seinen eigenen Waffen schlagen«, schlug ich vor.
»Und wie machen wir das?«
»Wir verlassen das sinkende Schiff.«
Er lachte freudlos. »Die Vampire des Hauses Cadogan verlassen das sinkende Schiff nicht.«
»Selbst wenn man sie von Bord wirft?«
»Nicht einmal …«, sagte er. »Wie lautet gleich
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