Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
Bamberger.
„Dann könnt’ma uns doch wenigstens des Original schon amal anschaun, oder?“
„Duat ma leid, aber meine Leut san mit der DNA-Sicherung no ned durch. Des dauert, wenn ma da a jede Seitn Millimeter für Millimeter absuacht.“
„Des sollt’ma übrigens mit dem Buch, des ma auf der Fraueninsel gfundn ham, auch machen, wer weiß? Wenn jetz an beiden die gleiche DNA dran wär ...“
Bamberger stöhnte leise auf.
„Dann fahr i jetz amoi meine Leut helfn, wenn’s mi da nimmer brauchts.“ Er stand auf und ging zahlen. Dann kam er noch mal zurück und zog eine Fotokopie aus seiner Aktentasche. „Des Buach is übrigens signiert: Für Alfred, Herzlichst ... die Unterschrift konn ma wirklich ned lesn, vielleicht von der Autorin, vielleicht ah ned. Da ... oiso servus.“
Hattinger und Wildmann sahen sich die Kopie an.
„Vielleicht könnten Sie des heut no rausbringen, kontaktieren S’ doch den Verlag, oder glei die Autorin selber. Wenn die des selber signiert hat, kann sie sich ja vielleicht erinnern, für wen ...“
„Heute, am Ostersonntag?“ Selbst der beflissene Wildmann hatte Zweifel.
„Ja mei ... Im Moment müss’ma uns an jeden Strohhalm klammern. Fahrn S’ nach Prien und lassn S’ sich von der Frau Erhard unterstützen, vielleicht kennt die wieder amoi jemand ... Der Haller und die Körbel san jetz auf der Insel drüben, und i schau mi da in Gstadt no a bisserl um ...“
Nachdem sie das Café verlassen hatten und Wildmann losgefahren war, stieg Hattinger in seinen Wagen und fuhr einfach drauflos, Richtung Gollenshausen. Als er durch den ersten Wald kam, suchte er nach einem Waldweg und steuerte hinein. Am Rand einer kleinen Lichtung stellte er den Motor ab, schob den Sitz ganz zurück und drehte die Lehne herunter. Zwei Minuten später war er fest eingeschlafen.
Währenddessen wurde in Gstadt am Strand eine Alditüte angeschwemmt. Darin nichts weiter als ein paar aufgeweichte Seiten eines alten Chiemgauer Anzeigenblatts. Ein Bootsverleiher fischte sie aus dem Wasser und warf einen kurzen Blick hinein.
„Scheiß Touristen, lassn überoi ihm Dreck liegn ...“, brummte er vor sich hin, in der festen Überzeugung, dass der Einheimische zu so etwas niemals fähig wäre, und entsorgte die Tüte mit dem durchnässten Papier in seinem Abfalleimer.
9
Seine ersten Schritte hatten eine Menge Staub aufgewirbelt. Das war gut so. Die Zeitungsausschnitte der Osterausgaben lagen vor ihm auf dem Schreibtisch im Keller, und zumindest die lokalen Blätter berichteten ausnahmslos von den Funden.
Sogar in der Bild am Sonntag war ein Artikel erschienen: Horrorurlaub am Chiemsee – Osterurlauber finden Leichenteile!
Natürlich war gerade dieser Artikel maßlos übertrieben und unnötig spektakulär aufgemacht, aber was konnte man von diesem Revolverblatt schon anderes erwarten. Über mangelnde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit konnte er sich im Moment jedenfalls nicht beklagen. Wenn überhaupt, dann reute ihn nur das Geld, das er für die Bildzeitung ausgegeben hatte. Aber selbstverständlich hätte er sie niemals einfach gestohlen, das wäre gegen seine Ehre gewesen.
Damals, da hatte er auch manchmal eine gekauft, in der Hoffnung, dass etwas drinstehen würde. Aber das war natürlich absurd gewesen, anzunehmen, dass die sich dafür interessieren würden. Es hatte ja überhaupt fast niemand interessiert, das war ja das Unfassbare. Wie lange hatten sie gehofft, dass ihnen irgendjemand einmal helfen würde, dass irgendjemand einmal aufstehen und sagen würde: Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit, dass dafür niemand zur Rechenschaft gezogen wird! Dass sich nicht wenigstens einmal jemand auch nur ein einziges Mal entschuldigte, das wäre doch wirklich das Mindeste gewesen.
Es tut mir leid ...Es tut uns leid...
Nichts dergleichen!
Das hätte ja noch nicht einmal das Anerkennen einer Schuld bedeutet. Ein kleines Zeichen. Das hätte man doch als Allermindestes erwarten können. Von Gerechtigkeit ganz zu schweigen. Man konnte keine Gerechtigkeit erwarten in dieser Welt. Das wusste er spätestens seit damals.
Was hatte er Briefe geschrieben ... Und was hatte er an nichtssagenden, abwiegelnden Antworten bekommen: Es tut uns leid, dass wir ... leider kann ich Ihnen in diesem Fall ... in ein schwebendes Verfahren einzugreifen, ist uns leider ... Da redeten plötzlich alle davon, dass es Ihnen leidtat, dass sie in diesem Fall leider gar nichts tun konnten!
Aber seiner Frau war das alles zu viel
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