Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
Großartige Scheibe. Er begleitete den damals noch relativ unzerknitterten Keith Richards und fragte sich wieder mal, warum er nicht öfters Gitarre spielte. Hatte schließlich früher auch in ‘ner Band gespielt, und das war nicht die schlechteste gewesen ... Die Flying Fingers, yeah! Die Finger waren inzwischen ein bisschen eingerostet, aber das Gehör nicht, Gott sei Dank! Er trank noch ein bisschen weiter und entschied sich als nächstes für Uriah Heep. Ewig nicht gehört ...
Irgendwann war er voll angezogen auf dem Sofa vor dem Fernseher eingepennt, die Les Paul im Arm.
Um halb sechs Uhr morgens wurde er vom Krach seiner ins Schloss fallenden Wohnungstür aus dem Schlaf gerissen.
„Was ... was is’n ...?“
Hattinger schreckte hoch, gebremst vom stattlichen Gewicht der Gitarre und dem Kopfhörerkabel, das um seinen Hals gewickelt war. Als er realisierte, wo er war – und dass gerade jemand in seine Wohnung eindrang! –, war er schlagartig wach. So wach man halt sein konnte mit einem dumpfen Schädel.
Aus dem Flur hörte er ein Poltern und Schritte.
Er musste sein Heim verteidigen! Seine Waffe im Schulterhalfter hing blöderweise am Schreibtischstuhl, auf der anderen Seite des Couchtischs. Auf dem Weg dorthin registrierte er, dass der Fernseher lief, auf einem dieser Ruf-mich-an!-Kanäle, die einem alle paar Sekunden ein neues Paar martialisch hochgerüsteter Brüste entgegenschleuderten. Er verhedderte sich im Gitarrenkabel und versuchte sich zu befreien, verdammter Mist, das durfte doch nicht ...
Die Schritte waren schon an der Tür, er hatte seine Waffe noch nicht erreicht – egal! Er war bereit, sich dem Eindringling entgegenzuwerfen, wie auch immer, die Tür ging auf, er drehte sich um ...
„Lena ...? Du?“
Hattinger starrte verblüfft seine 15-jährige Tochter an.
„Was ... ah ...“
Die stand mit lässig in die Hüften gestemmten Armen im Türrahmen und sah ihn ein bisschen mitleidig an.
„Hallo Paps. Na, wie geht’s?“
„Ah, hallo ... ja, geht scho, danke ...“ Er hatte es endlich geschafft, sich aus dem Gitarrenkabel zu wickeln. „Sag amoi, wie ... wo ... kommst’n du jetz ...?“
„Hast mich vergessen, was?“, meinte sie und sah sich interessiert das Fernsehprogramm an, wobei sie die linke Augenbraue hochzog. Hattinger suchte die Fernbedienung und stellte den Fernseher ab.
„Hab gestern no ... Nachrichten ... dann bin i glaub i eingschlafn ... I hab gedacht, du kommst erst am Dienstag?“
Soweit er sich erinnerte, hatte sich Lena, die normalerweise bei seiner geschiedenen Frau in Hamburg lebte, für die Ferienwoche nach Ostern angesagt.
„Ich hab dir doch gesimst, dass ich eher komm!“ Lena stellte ihre Tasche ab und zog die knallenge schwarze Lederjacke aus. „Ich war auf der Party vom Peter, weißt schon, den hab ich doch schon so lang nicht mehr gesehen, und die ganzen andern Typen vom alten Gymmi. War awesome! Der Peter hat mich noch hergebracht.“
„Ach so ... Und wia bist jetz da reikomma?“
„Papa, ich weiß doch, wo dein Ersatzschlüssel liegt. Das weiß doch jeder, oder?“
Hattinger musste zugeben, dass er in puncto Sicherheit der eigenen Wohnung kein gutes Vorbild abgab, schon gar nicht als Kriminalkommissar. Er hatte sich schon ewig vorgenommen, mal ein besseres Versteck zu finden als den obligatorischen Yuccapalmentopf im Treppenhaus. Wie das eben so war mit Sachen, die man sich ewig vornahm ...
Lena drückte ihn zur Begrüßung. Ihre schulterlangen Haare waren tiefschwarz, letztes Mal war sie noch blond gewesen. Sie bemerkte seinen Blick und wühlte in ihrer Frisur herum. „Genial, oder? War gestern noch beim Friseur.“ Sie drehte sich zweimal um die eigene Achse und wartete auf Bestätigung.
„Na ja, oiso ... mir hat des Blond eigentlich besser gfalln.“
„Ich find’s awesome!“
Die Augen hatte sie dazu passend dick schwarz umrandet, dazu trug sie eine tief... nein, eine sehr tief ausgeschnittene kurze schwarze Weste, die auch ihren nabelgepiercten Bauch freiließ. Bis auf die übertriebene Schwarzmalerei sah sie ziemlich umwerfend aus. Hattinger war sich wie schon öfter in letzter Zeit nicht ganz sicher, ob er ihren Anblick genießen oder sich als Vater um sie sorgen sollte. Aber zum Glück war sie ja ziemlich selbständig und schlagfertig. Sie war alles andere als ein Opfertyp, die würde einen zudringlichen Typen schon in die Flucht schlagen.
„Ich muss jetzt sofort eine rauchen. Hast du eine für mich?“, schnurrte sie ihn
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