Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bogenberger
Vom Netzwerk:
nichts davon geahnt hatte. Sie hatte ihn eigentlich wieder ins Leben zurückgeführt, ohne es zu wissen, mit ihr hatte seine Mission begonnen.
    Er dachte daran, wie er zu dieser Lesung in München gegangen war, da hatte er schon einiges über sie in Erfahrung gebracht, wusste, dass sie als Elvira Marschall – welch treffend lächerliches Pseudonym, es passte aber viel besser zur Person als ihr eigentlicher Name –, dass sie unter diesem Namen unsäglich lebensfernes banales Zeug schrieb und obendrein gutes Geld damit verdiente, dass sie sich das ganze Jahr in der Welt herumtrieb und ein verantwortungsloses Leben führte, dennoch hatte er sich bei ihrem Verlag gemeldet und sich als glühenden Verehrer ausgegeben und gefragt, ob die Frau Marschall denn gar keine Lesungen gäbe und dass er sie so gerne einmal von Angesicht zu Angesicht ... damit sei er beileibe nicht allein, sagte die Dame, und dass man ihn benachrichtigen würde, falls Frau Marschall jemals ... und dann hatte er tatsächlich eines Tages eine Einladung zugeschickt bekommen und war hingegangen, hundert oder zweihundert Leute waren gekommen, überwiegend Damen in älteren Jahren, und dann war diese damals strohblonde, unverschämt tief braun gebrannte hochnäsige Person aufgetreten und hatte aus ihrem aktuellen Buch gelesen und er hatte gemerkt, dass sie nicht einmal das ernst nahm, lachen musste sie fast, da wo ihre eigenen hohlen Worte eine Gefühligkeit vortäuschen wollten, was viele gar nicht bemerkt haben mochten, aber er selbst, der sich mittlerweile von Gefühlen erfolgreich befreit hatte, erkannte es mit messerscharfer Präzision, dass sie ihre Zuhörer und Leser nur verhöhnte, und etwas anderes hatte er auch gar nicht erwartet, ebenso wenig wie er erwarten musste, dass sie ihn möglicherweise wiedererkennen würde, wenn er zum Signieren des Buches nach vorne ging, ja das tat er, weil er sie einmal ganz aus der Nähe sehen wollte, ein Hut würde genügen als Verkleidung, und so war es auch und dann stand er vor ihr und sie fragte mit unverbindlichem Lächeln: Für wen soll ich schreiben? Und er sagte: Für Alfred, weil er seinen richtigen Namen nicht benutzen wollte, und sie schrieb: Für Alfred Herzlichst Ihre Krikelkrakel Krikelkrakel, während er sie genau beobachtete und ihre Kühle und Teilnahmslosigkeit spürte.
    Das war präzise der Moment, in dem er ihren Tod beschloss.
    Und vielleicht ein Jahr später war sie ihm auch noch entgegen gekommen, nichts ahnend natürlich. Sie lebte plötzlich in seiner Nähe und er konnte sie beobachten, so oft er wollte. Seit seiner Frühpensionierung hatte er alle Zeit dazu. Er vermisste die Arbeit keine Sekunde, er hatte nie daran gedacht, Verwaltungsbeamter zu werden, aber sein Vater hatte ihn gedrängt dazu, etwas Solides mit einer guten Absicherung zu machen. Und sein Vater hatte insofern recht behalten, als er sich tatsächlich keine Sorgen um seine finanzielle Situation machen musste, sondern sich ganz und gar seiner Mission widmen konnte.
    Er saß oft in der Dämmerung im Wald hinter ihrem Haus oder auch manchmal auf dem Jägerstand am Ende der großen Wiese auf der anderen Seite des Hauses, er kam jedenfalls immer durch den Wald und wenn ihn jemand traf, wurde er mit Sicherheit für einen harmlosen Spaziergänger gehalten.
    Sie schrieb jetzt wieder ständig und er hatte gedacht, dass sie ihre bisherige Arbeit fortsetzte, sie fuhr nur nicht mehr weg. Er hätte sie natürlich längst töten können, aber er wollte damit warten, bis die Planung seiner Mission vollständig abgeschlossen war. Und schließlich geschah es, dass dieses letzte Buch von ihr erschien, das er zunächst nicht beachtete, weil er dachte, es sei wie alle anderen, die sie als Elvira Marschall geschrieben hatte, bis ihm der Artikel in dieser Chiemgauer Anzeigenpostille in die Hände fiel ...
    ... einen Literaturpreis ... überschwängliche Kritiken ...
    ... und er war in eine Buchhandlung gegangen und hatte den Klappentext gelesen und ein paar Seiten durchgeblättert und es war ihm schlagartig klar gewesen, dass sie jetzt auch noch das Schicksal seiner Tochter, das Schicksal seiner Familie ... dass sie jetzt auch noch den eigenen Kunstfehler, der seine Tochter umgebracht hatte, versilberte.
    Da hatte er beschlossen, an ihr ein Exempel zu statuieren. Alle Welt sollte von Marias Geschichte erfahren ...
    Mittlerweile war schon ein merklicher zartblaurosafarbener Schein über den Bergen aufgezogen. Das Wasser des Chiemsees wurde von

Weitere Kostenlose Bücher