Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi
mein Alter. Schlaf gut. Prost und ex.«
Endorfer Straße, aus Rimsting raus, im Kreisverkehr, 11.41 Uhr:
Natürlich hat der Stocker dem John in Denia (das war einmal ein verschlafenes Fischerdorf in Spanien, an der Costa Blanca, hat aber mittlerweile einen Sportboothafen mit tausendzweihundert Liegeplätzen und circa dreitausend leer stehende Ferienappartements) vor dem Schlafengehen noch eine SMS geschickt. Vom Prepaid auf Johns Spezialhandy für diskrete Gespräche: »s. o.s. call u @12. Ok?« Und so gegen drei Uhr früh kam die Antwort auf Stockers Prepaid-Handy: »s. o.s.? LOL ! 12 Ok« ( LOL =laugh out loud/auf gut Bayrisch: Ich lach mich schlapp).
Jetzt, wer den »Chiemseejazz« gelesen hat, der weiß, wer der John ist und wie das alles zusammenhängt. Für die Neu-Leser: John, der Boss der »Manchester-Boys«, der hat dem Stocker aus einer bösen Sache rausgeholfen, an der aber beide ziemlich gut verdient haben. Man kennt sich eben. Und Telefonate, die außer den Beteiligten keiner mitkriegen sollte, die sind immer über eine Telefonzelle am Bahnhof in Bad Endorf gelaufen. Zumindest im letzten Jahr.
»Super Trouper« von Abba auf Bayern 1, das dröhnt jetzt aus den zwölf Lautsprechern der neuen Bose-Anlage in Stockers Wanderdüne. Das war so ziemlich der einzige Luxus, den er sich gegönnt hat nach dem unerwarteten Geldsegen im letzten Jahr. Ach so, ja, und die Kneipe, die »Endstation«, die ihm die Gemeinde verpachtet hat, die hat er zusammen mit dem Zeno gekauft und ein bisschen »modernisiert«.
Passt, denkt der sich, sind wir wieder so weit, ziehen wir wieder in den Krieg. Dabei wollt ich hier am Chiemsee eigentlich nur in Ruhe vor mich hin kochen, aber das Leben treibt mich halt vor sich her. Das Schicksal ist eine dumme Sau, sag ich immer. Und der Verkehr ist auch wieder mal vom Feinsten. Wo wollen die bloß alle hin?
Dann kommt der nächste Schock: Die Telefonzelle am Bahnhofsplatz ist weg. Nicht mehr da. Gut, da ist noch ein Telefon an der Wand des Bahnhofgebäudes, aber da kann jeder mithören, der irgendwie in der Nähe steht. Und in der Nähe ist im Moment einer, so ein Grauer, Unscheinbarer mit einem Exemplar des »Wachturm« vor der Brust. Und die Überschrift springt einem förmlich ins Gesicht: » DER GLAUBE RETTET «. Allerdings ohne genaue Angaben, wer oder was gerettet werden soll. Und wann und warum überhaupt.
Zehn vor zwölf ist es mittlerweile, Bayern 1 bringt »Wonderful World«, von Michael Bolton gesungen, und dem Stocker kommt die Erleuchtung: In Eggstätt drüben, am Rathaus, da hat er neulich eine Telefonzelle gesehen. Also Stoff geben und weiter. An der Ampel rechts in die Traunsteiner Straße, die Steigung hoch und ab. In der Kurve am Schlosssee schön langsam, da ist siebzig, und da steht auch meistens am Straßenrand was mit vier Rädern und Blitzautomatik.
Ungefähr 86 400 Sekunden hat ein durchschnittlicher Tag, aber manchmal rinnt einem die Zeit durch die Finger wie Sand an einem Urlaubsstrand. Trotzdem: Beim letzten Schlag der Eggstätter Kirchturmglocken steht der Stocker in der gelben Zelle beim Rathaus und wählt die ellenlange Nummer mit der 0034-Vorwahl.
»Albin, mein Freund, immer schön, mit dir zu sprechen. Bringt Geld ins Haus. Was gibt’s? Was macht deine Kneipe?«
»Hi, John. So weit alles bestens. Pass auf, ich hab da ein Problem, ich weiß noch nicht genau, welches. Sieht aber ungefähr so aus: Wir müssten wissen, ob vom Traian-Clan noch wer aktiv ist. Und zwar in unserer Gegend hier. Ist ziemlich unwahrscheinlich, würde uns aber weiterhelfen, wenn man die schon mal ausschließen kann.«
»Uns? Wer ist uns? Dein Partner und … wer noch? Sag jetzt bloß nicht, der alte Sugarcock steckt da auch wieder mit drin. Was willst du?«
»Doch, der Zuckerhahn ist mit dabei. Der ist mit dem Ding zu mir gekommen, und wir sind ihm ja auch noch was schuldig, glaube ich. Egal. Lass bitte alle Handynummern, die ihr im letzten Jahr während der Traian-Sache überwacht habt, jetzt noch mal durchlaufen. Welche Handys sind noch aktiv? Wo? Wann? Wenn von denen noch was aktiv ist, interessiert mich eigentlich nur, was sich im Lauf der letzten Wochen hier rund um den Chiemsee getan hat. Mit Zeiten und Bewegungsprofilen. Kannst du da mal mit den CyberEye-Boys in Benidorm reden? Die haben von der ganzen Aktion sicher noch was auf Festplatte oder so.«
»Okay, kann ich machen. Was springt dabei raus?«
»Nichts, erst mal. Wir haben hier was am Laufen, von dem wir nicht
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