Chili und Schokolade
Selbstbewusstsein signalisieren – hab ich mal bei Trixi in einer Frauenzeitschrift gelesen.
«Ich beherrsche natürlich auch das 10-Finger-System», erkläre ich selbstbewusst und erinnere mich an meinen Schwiegervater. Der war immer enorm beeindruckt, in welcher Geschwindigkeit ich die Korrespondenz erledigt habe.
Frau Daiser wirkt konsterniert. «Haben Sie denn spezielle Kurse belegt oder eine Schulung absolviert?»
«Selbstverständlich! Einen Wochenendkurs an der Volkshochschule.» Dass der schon zwei Jahre her ist, verschweige ich lieber.
«Also, nur Grundkenntnisse», folgert sie ungerührt, klappt resolut die schwarze Mappe mit meinen Unterlagen zu und beendet das Gespräch. «Vielen Dank für Ihr Kommen, Frau Meyer. Wie Sie sich vorstellen können, gibt es noch andere Bewerber. Wir werden uns aber in spätestens zwei Wochen entscheiden. Sie bekommen dann Bescheid.»
Das war eine indirekte Absage, denke ich enttäuscht, als sie mir höflich die Hand reicht. Sonst hätte sie Einzelheiten über den Job erzählt oder mehr über mich wissen wollen. Was ich falsch gemacht habe, kann ich mir aber nicht vorstellen. Vielleicht war das graue Kostüm falsch? Der erste Eindruck ist ja nicht zu unterschätzen.
Zu Hause erwartet mich wieder die gefürchtete Stille. Ein großes, menschenleeres Haus wirkt noch größer und leerer, wenn man nicht allein sein möchte. Nur der Kühlschrank gibt sanfte Geräusche bei der Eiswürfelproduktion von sich. Diese Funktion lässt sich zwar auch abstellen, aber das habe ich nur einmal gewagt. Ausgerechnet an jenem Tag kam Konrad unplanmäßig früh nach Hause und war ziemlich verärgert, als keine Eiswürfel für seinen Martini parat waren. Ungekühlt sei der nicht genießbar, aber davon verstünde ich nichts, warf er mir vor.
Niedergeschlagen trete ich an das Fenster zur Terrasse. Im Garten hüpfen zwei Saatkrähen laut krächzend umeinander, als würden sie über mich lachen.
Mir ist kalt. Ich vermisse Oscar. Verzweifelt sehe ich zur Seite und fixiere das Telefon. Doch es bleibt stumm. Enttäuscht setze ich mich an den Esstisch und blättere in einem dieser Stadtteilblätter mit Kleinanzeigen, die ich normalerweise ungelesen zum Altpapier stecke. Und plötzlich fällt mein Blick auf das kleine Inserat einer Marketingfirma, das mich neugierig macht.
WIR SUCHEN SIE !!!
Um was für einen Job es sich handelt, wird leider nicht verraten.
Erwartungsvoll wähle ich die angegebene Telefonnummer. Eine blechern klingende Stimme vom Band gibt den Interessenten eine Adresse im zwanzig Kilometer entfernten Ottobrunn bekannt. Dort werde man bis spätestens sechzehn Uhr erwartet.
Viel Zeit bleibt mir nicht. Doch diesmal gebe ich mir mit der Auswahl meiner Garderobe mehr Mühe. Also nichts wie raus aus dem grauen Kostüm, Marketing hat ja auch mit Werbung zu tun. Es kann daher sicher nicht schaden, etwas schicker auszusehen. Meine Wahl fällt auf eine klassische Hose-Jacken-Kombination in Karamellbraun. Eine weiße Bluse soll den matten Farbton auffrischen. Dazu flache, dunkelbraune Stiefeletten und als Schmuck ein Paar dezente Perlenohrringe. Etwas Wimperntusche und hellroter Lippenstift lassen mich auch gleich nicht mehr so blass aussehen.
Wegen der unterschätzten Entfernung verspäte ich mich zehn Minuten. Und bei der Suche nach einem Parkplatz verrinnt weitere kostbare Zeit. Damit es nicht noch später wird, parke ich quer vor einer protzigen Limousine. Mein Smart hat da problemlos Platz.
Am Eingang empfängt mich eine hübsche, junge Frau in kurzem Jeansrock, engem rosa Shirt und weißblondem Pferdeschwanz. Aber weder meine gestammelte Entschuldigung noch mein Zuspätkommen scheinen sie zu interessieren. Gelangweilt drückt sie mir einen fünfseitigen Fragenbogen in die Hand, brummelt «Ausfüllen und zurückbringen» und schickt mich zum Ende des Flurs.
In einem fensterlosen Raum, beleuchtet von kaltem Neonlicht, sitzen ungefähr dreißig Frauen jeden Alters und Typs an kleinen Tischen über die gleichen Formulare gebeugt. Alle sind eifrig mit Ausfüllen beschäftigt.
So viel Konkurrenz direkt vor Augen zu haben, ist nicht gerade motivierend. Ob es sich überhaupt lohnt, hierzubleiben? Ich bin mir nicht sicher, ob ich heute noch eine Absage ertragen kann. Zusätzlich verwirren mich die seltsamen Fragen. Nach den allgemeinen Angaben zu Alter und Familienstand wird gefragt, ob mein Wagen bar bezahlt oder durch einen Kredit finanziert wurde. Leider habe ich von solchen
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