Chili und Schokolade
fragt sie lauernd und schenkt uns Tee nach.
Schulterzuckend erwidere ich: «Sagst du nicht immer, dass ich mir keine Gedanken über ungelegte Eier machen soll?»
«Na gut, Madame Lacombe, dann legen wir meinen Onkel vorerst zu den Akten, arbeiten am Konzept und schreiben das Exposé», erklärt sie eifrig über die Tasten gebeugt. Sie sprudelt förmlich über vor Energie.
«Wie wär’s, wenn wir in meinen Kochbüchern blättern, um uns von der Konkurrenz inspirieren zu lassen?», schlage ich vor.
Eilig schleppe ich eine erste Auswahl heran. Nach kurzem Blättern erkennen wir ein sehr sinnvolles Grundkonzept: Einleitung, Beschreibung der einzelnen Zutaten (soweit es Besonderheiten gibt), im Anschluss folgen die Rezepte, meistens in Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts eingeteilt. Und am Ende gibt es Menüzusammenstellungen sowie Dekotipps.
«Das ist ja alles oberprima und gefällt mir schon ganz gut. Aber wir brauchen noch etwas anderes.» Stöhnend schiebt Ulla den Bücherstapel zur Seite. «Etwas wirklich Originelles, etwas, das in keiner Kochbuchsammlung fehlen darf. Ein Callgirl als Autorin sollte auf jeden Fall ein Kochbuch abliefern, das sich von den anderen abhebt.»
«Hm», brumme ich zustimmend, weil mir dazu auch nichts Neues einfällt. Mal abgesehen von der Lust aufs Kochen, die ich zwangläufig kriege, wenn ich in Kochbüchern schmökere. «Hast du auch Hunger?», frage ich Ulla deshalb.
Erstaunt blickt sie vom Laptop auf. «Willst du jetzt etwa anfangen zu kochen?»
«Nur eine Kleinigkeit. In der Küche habe ich nun mal die besten Ideen. Vielleicht ereilt mich ja am Herd ein Geistesblitz. Also, worauf hast du Appetit?»
Ulla bleibt mir die Antwort schuldig, weil ihr Handy piepst. «Oh, das ist mein Wecker, es ist ja schon kurz nach fünf, ich muss gleich weg», erklärt sie und drückt mit flinken Fingern auf den Tasten ihres Handys rum.
Verwundert frage ich, ob es in allen Geräten einen Wecker gibt.
«Logo, Uhr und Wecker sind automatisch drin. Wenn nötig, kann man auch das Datum einstellen. Deshalb brauche ich ja auch keine teure Rolex. Ich hätte wirklich lieber ein Laptop bekommen», erklärt sie leichthin und fährt dann in gewohnter Fröhlichkeit fort. «Ach, was soll’s, eines Tages wird das Goldstück ein kleines Vermögen wert sein, wogegen Laptops schon an Wert verlieren, wenn man den Laden verlässt. Die Uhr dagegen kann ich in einer Notlage versetzen.»
«Nicht doch», mahne ich. «Geschenke hält man in Ehren. Erst recht, wenn es ein Verlobungsgeschenk ist.»
«Nach fünfundzwanzig Jahren Ehe hast du bestimmt jede Menge Schmuck, den du in Ehren hältst, was Eve?», mutmaßt Ulla unbekümmert, während sie ihre Sachen zusammensucht.
«Da muss ich dich enttäuschen. Evelyn hat einen geizigen Erbsenzähler geheiratet.»
Überrascht blickt Ulla auf. «Weihnachten gibt’s aber schon Geschenke, oder?»
«Natürlich», bestätige ich und bitte sie, in meinem Handy den Wecker auf den dreiundzwanzigsten November zu stellen.
Als sei es ihr eigenes, tippt sie gekonnt auf der Tastatur herum und fragt: «Konrads Geburtstag?»
«Nein, da kommt dieser Dr. Lent aus dem Urlaub zurück. Dann klärt sich hoffentlich die Schlüsselgeschichte auf.»
Kurz darauf bringe ich Ulla zur Tür. Während ich ihr nachsehe, bis das Rücklicht ihres Fahrrads im Nebel verschwunden ist, versuche ich mich an Konrads letztes Weihnachtsgeschenk zu entsinnen. An den Gutschein von den Zwillingen für einen gemeinsamen Abend in einem noblen Restaurant meiner Wahl erinnere ich mich genau. Auch, dass ich Konrad einen teuren Bildband mit berühmten Bauwerken von Oscar Niemeyer geschenkt habe. Aber was hat er mir bloß geschenkt? Ach, ja: ein kleines Kochbuch mit bayrischen Rezepten, das ich leider schon in meiner Sammlung hatte.
Weil ich die besten Ideen nun mal in der Küche habe, überlege ich, welches Gericht ich heute ausprobieren könnte. Meine Wahl fällt auf Tiefseegarnelen. Die habe ich gestern nach dem Treffen mit Bertram zusammen mit der Hähnchenbrust eingekauft. Auf Zitronengras aufgespießt und in Chilibutter gebraten, werde ich sie auf Avocadospalten mit Limonendressing servieren. Nicht nur Austern und Muscheln sind ein Aphrodisiakum. Durch den hohen Gehalt an Eiweiß und Phosphor zählt jede Art von Fisch dazu.
Wie würde wohl ein Tag im Leben von Eve Lacombe aussehen?, überlege ich, während ich mich in der Küche zu schaffen mache. Vielleicht liefert morgens ein Bote einen Strauß
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